Hongkong hat das Geld“

■  Ein Gespräch mit Xin Wang vom Berliner Verein für chinesischen Film über Zensur, chinesische Filmpolitik, Propaganda- und Unterhaltungsfilme und den Einfluss der Filmemacher aus Hongkong auf den chinesischen Film

Die Filme aus der Volksrepublik China, die es in die hiesigen Kinos schaffen, sind meist vom Typ des elegischen, symbolistisch überfrachteten, preisverdächtigen Kunstfilms. Dass in China längst andere Genres bedient werden, beweist das „China Filmfestival“ in Eiszeit und Central. Sieben Filme zeigt der Berliner Verein für chinesischen Film e. V.: vom Historienepos („Genghis Khan“) über den Propagandfilm („National Anthem“) und den berühmt-berüchtigten Kunstfilm („Sun Bird“) bis zum Episodenfilm über urbane Liebespaare („Spicy Love Soup“). Eine kleine Sensation ist „A Time to Remember“: Die Geschichte eines amerikanischen Arztes in den Wirren des Bürgerkriegs der Dreißigerjahre ist der erste chinesische Film, der mit Blick auf den Weltmarkt nahezu vollständig in Englisch gedreht wurde. Alle Filme sind deutsche Uraufführungen. Jedenfalls fast, denn das Festival lief bereits Anfang Oktober im CinemaxX, fand aber damals kaum Zuschauer.

taz: Warum war die erste Auflage schlecht besucht?

Xin Wang: Der Verein hatte nur zwei Monate Zeit zur Organisation. Wir haben es zwar geschafft, ein Kino zu organisieren, die chinesische Delegation unterzubringen und durch Berlin zu fahren, aber wir hatten keine Zeit, Pressearbeit zu machen.

Nach welchen Kriterien wurden die Filme ausgewählt?

Der Verein hat ungefähr 15 Kassetten vom chinesischen Filmministerium bekommen. Weil das Projekt mit 10.000 Mark vom Filmboard Berlin/Brandenburg gefördert ist, sollten die Filme von Ulrich Gregor [Leiter des Internationalen Forums des jungen Films der Berlinale – d. A.] abgesegnet werden. Der hat sich dann die meisten Kassetten angesehen und Empfehlungen abgegeben. Die endgültige Auswahl habe dann ich getroffen. Dabei habe ich darauf geachtet, ein breites Spektrum abzubilden, ich wollte vor allem auch unterhaltende Filme zeigen.

Gibt es denn in China auch Krimis oder Actionfilme nach dem Vorbild Hongkong

Ja, gibt es auch reichlich. Aber diese Filme sind ausschließlich für den chinesischen Markt gedacht. Im Vergleich zu den Hongkong-Filmen sind sie auch nicht gut. Ins Ausland kommen meist nur die Filme aus Hongkong, weil ein Großteil der Exilchinesen Kantonesen sind. Und selbst die Chinesen, die nicht kantonesisch sprechen, kennen eher die Stars des Hongkong-Kinos als die Schauspieler vom Festland.

Gab es Filme, die Sie wollten, aber nicht bekommen konnten?

Ja, „Kein einziger weniger“, den neuen Film von Zhang Yimou [„Das rote Kornfeld“ – d. A.], der gerade in Venedig einen Preis gewonnen hat, den hätte ich so gern gehabt, aber der Produzent hat die internationalen Rechte schon nach Amerika verkauft. Den neuen Film von Zhang Yuan hätte ich auch gern geholt, aber den hat die chinesische Zensur noch nicht freigegeben.

Wie sieht die Arbeit der Zensur aus?

Offiziell dürfen nur staatliche Studios mit Geld vom Staat Filme produzieren. Aber die Studios machen mit diesen Filmen schlechte Geschäfte, deshalb haben sie kein Geld. Geldgeber aus der Wirtschaft oder auch private Investoren aber dürfen offiziell keine Filme machen, also kaufen sie sich quasi den Namen eines Filmstudios, um unter dem zu produzieren. Ohne Genehmigung der Zensur aber wiederum kommt kein Film ins Kino. Um ihr Geschäft nicht zu gefährden, zensieren die Geldgeber also von vornherein selbst das Projekt. Ist der Film fertig, wird er vom Studio, das seinen Namen hergibt, natürlich auch noch mal zensiert. Dann wird er nach Beijing geschickt und endlich offiziell zensiert.

Wird der Film in China immer noch in erster Linie als Propagandamittel zur Stärkung von Revolution und Moral gesehen oder inzwischen doch eher als Unterhaltung und Geschäft?

China produziert im Moment ungefähr 100 Filme jährlich. Von denen steckt in ungefähr 20 bis 30 staatliches Geld. In diesen Filmen muss es mindestens einen positiv dargestellten Parteifunktionär oder Revolutionär oder Nationalhelden geben. Das sind, könnte man sagen, Propagandafilme. Der Rest der Produktion sind Unterhaltungsfilme, weil das Geld von den Studios selbst oder von Fremdinvestoren stammt und natürlich wieder reinkommen soll. Es gibt in diesem Bereich aber immer noch ein Missverhältnis: Denn es gibt erst seit kurzem offiziell genehmigte, nichtstaatliche Filmstudios, jeweils eines in Beijing und in Shanghai. Von dem Pekinger Studio stammen aus unserem Programm „A Time to Remember“ und „Going to School With My Dad on My Back“. Prinzipiell sind aber auch diese privaten Studios ähnlichen Bedingungen unterworfen, nur dass sie nicht mit staatlichem Geld drehen, sondern nach anderen Investoren suchen.

Was hat sich nach dem Anschluss Hongkongs bislang geändert?

Die Zusammenarbeit wird immer enger, denn Hongkong hat das Geld, aber China mehr Publikum, mehr Schauspieler und die billigeren Produktionsbedingungen.

Ändert sich der chinesische Film durch den Einfluss Hongkongs?

Die Filmemacher aus Hongkong haben die Kunst der Unterhaltung nach China gebracht. Eine ganze Reihe von staatlich finanzierten Filmen versucht nun Unterhaltung und Propaganda miteinander zu verbinden. Die versuchen das Hongkong-Kino zu imitieren, sind aber nicht so gut. Aber in diese Richtung geht es wohl, denn das chinesische Publikum kennt die Hongkong-Filme besser als die eigenen. Denn auch wenn diese Filme selten in den Kinos in der Volksrepublik zu sehen sind, Video- und CD-Raubkopien gibt es überall zu kaufen.

Interview: Thomas Winkler

25. 11. – 8. 12., jeweils 20.30 Uhr, Eiszeit, Zeughofstraße 5, Kreuzberg; 2.- 8. 12., jeweils 23.45 Uhr, Central, Rosenthaler Str. 39, Mitte