Der Kunde wird zum Kassierer

■ Bei Karstadt am Hermannplatz sind die BerlinerInnen wild auf Scanny

Bei Karstadt am Herrmannplatz kann der von Haus aus neugierige Berliner in Zukunft seinen Spieltrieb ausleben. Scanny heißen die Geräte, die „so viel Spaß machen“ sollen, wie nette Herren in blauen Anzügen den Interessierten versprechen.

Mit den Scannys, die aussehen wie große Mobiltelefone, spazieren einige Kunden seit acht Tagen in der Lebensmittelabteilung zwischen den Regalen umher und scannen die Strichcodes von Gemüsedosen selbst ein. Damit ersparen sie sich das Anstehen an den Kassen. Auf den Scanny-Displays erscheinen der Preis und die Anzahl der Waren. Wie mit einem Taschenrechner kann die Zwischensumme abgefragt werden.

Eine junge Frau „piept“ Strichcodes von Bonbontüten in ihren Scanny und packt ihre Einkaustüten voll. Einmal gescannte Waren müssen nicht erst in den Einkaufskorb, sondern dürfen gleich in die Taschen.

Am Ende entnimmt sie dem Gerät eine Karte, schiebt die in eine Säule, und surrend erscheint der Kassenbon. Ohne die Scanny-Card funktioniert das Gerät aber nicht. Damit geht die Kundin an die spezielle Scanny-Kasse und zahlt. Die allein erziehende Mutter hofft dadurch Zeit zu sparen. Doch sie ist skeptisch: „Wenn jeder so einkauft, steht man wahrscheinlich an den Scanny-Kassen genauso lange wie an den anderen.“

Ob sie eine Weinflasche einfach in die Tüte gepackt hat, ohne den Preis einzuscannen, überprüft niemand. Peter Jakob, einer der Scanny-Betreuer, gibt zu: „Klar kommt mal was weg, aber nicht mehr als sonst.“ Das Scanny-Team kontrolliert stichprobenartig die Einkäufe. Mehr Detektive seien nicht eingesetzt.

Über 1.000 Kunden haben schon die Scanny-Card, mit der das Gerät aktiviert wird. Diese Karten gibt es am Eingang. Ein älterer Mann betrachtet einen Scanny von allen Seiten. Aus Neugier auf die Technik wolle er „das Ding“ mal ausprobieren.

Begeisterung über die Innovation herrscht auch beim Karstadt-Betriebsrat. Die Freude ist schon deshalb groß, weil der Scanny keine Arbeitsplätze ersetzt. „Wir haben akribisch darauf geachtet“, so der stellvertretende Vorsitzende Detlef Komotter, „doch das kassenlose Warenhaus wird es nie geben.“ Die vier herkömmlichen Kassen bleiben für Kunden, die ohne Scanny einkaufen wollen. Bisher steht nur eine Scanny-Kasse – aber weitere sollen folgen.

Detlef Komotter ist von Scanny überzeugt. „Wir sind erstaunt, wie viele Kunden das wollen.“ Schon nach ein paar Tagen mussten sie Karstadt-Clubkarten nachbestellen, mit denen das Gerät auch aktiviert werden kann. In Frankfurt am Main läuft das Scanny-Projekt schon seit zwei Jahren erfolgreich. In Lübeck ist es gefloppt – in Berlin scheint Scanny nun auch der Renner zu werden. Das System kommt aus England, mehr wollte das Scanny-Team nicht verraten. In Deutschland sind sie bislang die Einzigen, die damit arbeiten. Karen Heinrichs