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Hometaping und Paranoia

Ein Stuhl, eine Bratpfanne und auf allen vier Spuren der Sound der Revolution: Die Beta Band im Knaack  ■   Von Thomas Winkler

Schon in einem ihrer ersten Interviews brachte John MacLean das Problem auf den Punkt: „Wir wissen einfach nicht, wie man aufhört. Ein Sound stapelt sich auf dem anderen“, erklärt der DJ und Sample-Beauftragte der Beta Band, „und bevor man weiß was los ist, hat man schon wieder einen Sieben-Minuten-Song, der ein Eigenleben entwickelt hat.“

Die Songs der Beta Band sind zwar nicht immer so lang, aber das mit dem Soundstapeln, das stimmt zweifellos. Die einen finden darin Pavement und Verve wieder, die anderen Primal Scream und die Mondays, vielleicht auch Pink Floyd und Eddie Cochran. Oder Beach Boys, Beatles und Beastie Boys, Faust und Can. Das wirklich Sensationelle: Alles hört sich trotzdem eindeutig nach Beta Band an. Immer wieder denkt man: Schon erstaunlich, was man auf einem Vierspurrekorder so hinbasteln kann. Denn auch wenn sie in einem richtigen Studio aufgenommen ist, hört sich die Musik der Beta Band so an, als wollte mal jemand ausprobieren, was man auf einem Vierspurrekorder so hinbasteln kann.

„Alles kann in Sound verwandelt werden, ein Feuerzeug, ein Stuhl“, verspricht Stephen Mason, der schmuddelbärtige Sänger und Texter. Legendär ist die Bratpfanne, deren Klang der Ausgangspunkt eines ihrer ersten Songs war. Das Ergebnis sind dann manchmal arg naive, kindliche Sounds, die mit Masons ton- und fast teilnahmsloser Stimme kontrastieren.

Schlussendlich hört jeder aus der Beta Band die Musik heraus, die er hören will. Ein Fest für jeden Musikkritiker: Zuerst kann er kistenweise Verweise droppen, dann noch bis zur Bewusstlosigkeit assozieren und sich schließlich ganz trefflich darüber streiten, ob das nun Klauen ist oder Eklektizismus, Aufwärmen oder Innovation. „Meine Inspiration“, sagt Mason, „sind die Geräusche, die ich in meinem Kopf höre.“ Beste Voraussetzungen also, um im Lande der Musik-Weeklies ganz schnell zum hottesten neuen Ding seit der Erfindung der Schnabeltasse zu werden.

Zu Anfang sei man angeblich „gar nicht so scharf darauf gewesen, im Radio gespielt zu werden“, behauptet Mason. Dazu sah die Band aus wie eine Ansammlung von Strebern und Klassendeppen. Dann aber machte man Britannien heiß, indem man mit EPs anfütterte, kaum Interviews gab, und in denen behauptete, man würde von der ganzen Welt gehasst. So produziert man Kultstars. Ihre EPs sollen inzwischen für bis zu 50 Pfund pro Stück gehandelt werden. Das Geld verdient man dann mit der CD, auf der die EPs versammelt sind.

„Fucking brilliant“ bewarb Mason schon die erste EP. „Wir sind einmalig“, sagen sie selbstbewusst. Und wenn man schon größenwahnsinnig ist, dann wenigstens richtig: Ihr im Sommer erschienenes Debut-Album „Beta Band“ sollte eine ganz altmodische Doppel-LP werden, und jede der vier Seiten wollten sie auf einem anderen Kontinent aufnehmen. Das aber, rechnete ihnen die Plattenfirma vor, hätte zwei Millionen Mark gekostet und wurde deshalb abgelehnt. Als Ausgleich wollten die Betas wenigstens eine zweite CD beilegen. Die 45 Minuten darauf allerdings sollen so extrem esoterisches Kiffergedudel gewesen sein, dass das Label auch das verhinderte. Daraufhin erklärten die Betas ihre Platte zu „einer der schlechtesten des Jahres“ mit „einigen grauenhaften Songs“, zum „größten Fehler unseres Lebens“. Klasse Werbekampagne.

Widersprüche gehören bei ihnen eben nicht nur in die Musik. So lautet Masons Botschaft an die Welt: „Revolution und Paranoia, weil das gut für die eigene Gesundheit ist.“ Um dann anzufügen: „Und man darf auf niemanden hören. Schon gar nicht auf uns.“

Heute, 21 Uhr, Knaack-Club, Greifswalder Straße 224

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