■ Kommentar: Was Kohl nicht kann
Die CDU und ihre Parteispendenaffäre
Der Nebel ist verflogen, weggeblasen von Heiner Geißler. In der CDU gab es schwarze Konten, auf denen Spendengelder flossen, die man an der Öffentlichkeit vorbeibugsieren wollte. Und: Kohl hat davon gewusst. Strafrechtlich wird dies wohl keine Folgen haben, politische umso mehr. Denn eine Partei, die an der Gesetzgebung mitwirkt und die gleichzeitig jahrelang gegen geltendes Recht verstößt, ist schlicht unglaubwürdig.
Heiner Geißler hat so die gesamte Verteidigungslinie der CDU durcheinandergewirbelt, in der Angela Merkel bisher den verständig-besorgten Part übernommen hatte, während Kohl & Rühe das Ganze als Intrige von SPD, Spiegel und den üblichen Verdächtigen denunzierten.
Helmut Kohl hat nun ein Problem. Eigentlich hatten alle schon ihren Frieden mit ihm gemacht. Die Linken sahen in ihm den Postnationalen, der im Zweifel stets Europa über alles andere stellte. Die Deutschen, ohnehin dem Sentimentalen zugeneigt, verklärten, kein Jahr nach seiner Abwahl, die Kohl-Ära zur guten alten Zeit. Und der Ex-Kanzler präsentierte sich als ideales Objekt für solche Projektionen. Gelassen, fast altersweise (Kohl! Altersweise!) schien er auf das Treiben in den Niederungen der Tagespolitik herabzuschauen.
Doch in der Spendenaffäre brachte sich Kohl nun als das in Erinnerung, was er immer auch war: paternalistisch, unfähig zur Selbstkritik und ausgestattet mit undurchdringlicher Machtarroganz. Es kann sein, dass ihn dieser Mangel seinen Ruf als Elder Statesman kosten wird. Denn die Deutschen würden ihm schon verzeihen – das Problem ist, dass die Rolle „Fehler eingestehen“ in Kohls politischem Repertoire nicht exisitiert.
Warum aber Geißlers Intervention? Persönliche Rache an Kohl, hört man allerorten. Aber das ist zu flach. Geißler weiß, dass, wenn die Enthüllungslawine erst mal richtig rollt, leugnen nichts mehr hilft. Also gilt es etwas zuzugeben, moralische Zerknirschung zu zeigen und eine neue haltbare Verteidigungslinie zu befestigen. Lieber ein Ende mit Schrecken.
Zudem mag es sein, dass Geißler die Chance ergreift, die CDU von Kohl zu befreien. Denn eine runderneuerte CDU, so Geißlers These, wird es nur geben, wenn die Partei aus Kohls Schatten heraustritt. Dieses Spektakel – der Kampf der CDU gegen Kohl – wird man nun wohl erleben können. Stefan Reinecke
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