: „Meine Oma hat da Schnäppchen gemacht“
■ In Oldenburg gibt es eine lettische Siedlung.Ihre wechselvolle Geschichte und Vorgeschichte erzählen Petra Quade und Werner Ostendorf in ihrem Filmerstling
Über Wochen durchzog die Ostseeluft des „mare balticum“-Festivals die Oldenburger Kulturszene. Auf den siebten Oldenburger Filmtagen enthüllten zudem Petra Quade und Werner Ostendorf mit ihrem Filmerstling, dass baltische Kultur nach 1945 lange Zeit fest zum Oldenburger Repertoire gehörte. Außerdem deuten sie in ihrem Film und im taz -Gespräch Einblicke in vergessene und verdrängte Aspekte der Stadtgeschichte an. Ihr Film über die lettische Kolonie in Oldenburg-Ohmstede hatte jetzt in der Ohmestedter Kirche Premiere und gewann im regionalen Wettbewerb der Filmtage den ersten Preis.
taz: Wie sind Sie auf dieses Thema gestoßen?
Petra Quade: Es gibt eine Bank vor dem Kulturzentrum, in dem ich arbeite. Da trafen sich jeden Tag drei alte Lettinnen. Und plötzlich fehlte eine von ihnen, im März dann die zweite. Da habe ich mit meinen Recherchen begonnen. Ich bin damit quasi der Geschichte des Hauses nachgegangen, in dem ich heute als Sozialpädagogin tätig bin. Denn das Kulturzentrum Rennplatz war früher das lettische Kulturzentrum der Siedlung.
Was war Ihnen an der Geschichte wichtig?
Werner Ostendorf: Auf dem Gelände des ehemaligen Rennplatzes gab es während des Krieges Zwangsarbeitersiedlungen. In diese Baracken sind dann später Letten eingezogen. Diese Baracken wurden aber ursprünglich gebaut, um die Möbel von deportierten Juden zu lagern. Meine Oma hat sich damals auch noch Schnäppchen da geholt. Und das zu recherchieren, rührt unheimlich auf. Es gab Zwangsarbeiterlager und KZs in und um Oldenburg. Ich sehe unseren Film als zweiten Teil zu Ali Zahedis Beitrag über Zwangsarbeiter im Oldenburger Raum.
In der Presseeinladung zur Filmvorführung fehlt eine Passage: ein Hinweis auf die Rede Adolf Hitlers im Mai 1932 auf dem damals noch für Sportveranstaltungen genutzten Rennplatz.
Ostendorf: Ja, da gibt es einen weißen Fleck. Die Synagoge und der Erinnerungsgang werden heute nach vorne gezerrt, aber der Hinweis auf Hitler durfte auf der Einladung der Stadt nicht erscheinen.
Quade: Aber auch die Geschichte und Gegenwart der Lettischen Kolonie selbst sind vollkommen verzerrt. Die Letten haben innerhalb und außerhalb ihres Kulturzentrums die Oldenburger Musik- und Theaterszene sehr bereichert. Aber sie waren trotzdem weitestgehend unter sich. Warum? Die Barackensiedlung hatte ein schlechtes Image, da während des Krieges Zwangsarbeiter ausgebrochen und Ohmstede geplündert hatten. Und dieses Image setzt sich bis heute fort. In der Siedlung leben heute Menschen aus fünfzehn Nationen in einer beachtlichen Form der Koexistenz. Trotzdem wird das Viertel immer noch als sozialer Brennpunkt abgestempelt. Erst durch meine Recherchen ist mir klar geworden, wie tief die Geschichte da sitzt und wie viele weiße Flecken es da noch gibt.
Die Dokumentation dieser Geschichte war Ihr Filmerstling. Lust auf mehr?
Quade: Ich habe gemerkt, dass die Nähe zu meiner eigentlichen Arbeit ganz andere Türen aufstößt, als wenn plötzlich ein NDR-Team bei den Leuten in der Tür stehen würde. Im Moment brennt mir die Geschichte der Sinti und Roma in der Siedlung auf den Nägeln. Sie wollen sich in Auschwitz mit einem Teil ihrer Geschichte konfrontieren. Das könnte ein neues Filmprojekt werden.
Fragen: Marijke Gerwin
Petra Quade, Werner Ostendorf: „Die lettische Kolonie in Oldenburg-Ohmstede“, D 1999, 30 Minuten, S-VHS
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