■ Innenminister Kanther hat sich bundesweit geoutet: Der schwarze Sheriff
Der Mann ist gnadenlos und gnadenlos dumm. Völlig korrekt nach Recht und Gesetz und mit dem Segen des Verfassungsgerichts habe er schließlich entschieden, sieben Sudanesen abzuschieben, befand Deutschlands Innenminister Kanther trotzig auf allen Fernsehkanälen – wer ihm Unmenschlichkeit, gar unchristliches Verhalten unterstelle, sei doch wohl übergeschnappt. Schlicht „hysterisch“, warf er seiner Kollegin Däubler-Gmelin vor, sei deren Kritik an einem einwandfreien rechtsstaatlichen Vorgang. Die Diskussion in Deutschland stehe auf dem Kopf.
Spätestens seit Mittwoch abend weiß die ganze Republik, warum Kanther in Hessen schon lange als Schwarzer Sheriff gilt. Erst schießen, dann denken – das bundesweite Coming-out eines bornierten Hardliners war spektakulär und wird Folgen haben. Die erste mögliche, direkte Konsequenz der Demonstration Kantherscher Machtpolitik könnte sieben ermordete Menschen sein. Jeder, der es wissen will, weiß, daß die angeblichen sudanesischen Zusagen völlig wertlos sind. Kanther war das egal, er wollte ein Exempel statuieren. Warum sonst hat er verhindert, daß die Sudanesen einen Tag später nach Eritrea ausgeflogen werden? Wer die Macht hat, braucht sich um die Folgen nicht zu scheren. Damit hat er den möglichen Tod von sieben Menschen billigend in Kauf genommen und dabei noch nicht einmal versucht, das zu verschleiern. Eben gnadenlos und gleichzeitig gnadenlos dumm.
Warum ausgerechnet diese sieben Sudanesen die Öffentlichkeit mehr aufgebracht haben als alle anderen Menschen, die bisher nach den Regeln des neuen Asylrechts in die Verfolgung zurückgeschickt wurden, ist eines der Geheimnisse der Mediengesellschaft. Daß es aber so ist, wird Kanther jetzt zu spüren bekommen. Seine Angst (und die seines Fraktionschefs Schäuble), das mühsam durchgesetzte Asylrecht gerate ins Wanken, wenn die Bundesregierung nicht hart bleibt, könnte genau den gegenteiligen Effekt haben. Wer bislang noch nicht wußte, wie unmenschlich dieses Regelwerk ist, der weiß es jetzt. Die einhellige öffentliche Empörung jenseits der Reps wird auch in Karlsruhe nicht ohne Wirkung bleiben. Wenn das Bundesverfassungsgericht demnächst über die Legalität der Drittstaatenregelung entscheidet, könnte Kanther erneut auf den Kopf fallen. Sieben ermordete Menschen wären allerdings ein entsetzlicher Preis. Jürgen Gottschlich
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