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Ost-Jugend optimistisch und leistungsorientiert

■ Pudelwohl in der Marktwirtschaft: Studie über die Generation der Wende

Jetzt wissen wir es. DDR-Nostalgiker mit Sozialismus-Ideologie in den Köpfen, resigniert, eine frustrierte Generation – von wegen. Unhaltbar und ungerecht, all die Vorurteile und Vorwürfe der vergangenen Jahre. „Eine junge Generation, die zur DDR-Vergangenheit deutlich auf Distanz gegangen ist, die die Chancen der Demokratie und sozialer Marktwirtschaft erkannt hat, nicht rückwärtsgewandt, sondern zukunftorientiert denkt und sich optimistisch gibt.“

So präsentiert sie sich in Wahrheit, die „Generation der Vereinigung“. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer Studie zur Vergangenheitsbewältigung der ostdeutschen Jugend, die gestern in Berlin vorgestellt wurde. Aufgeräumt wird darin mit den „vermeintlichen Enttäuschungen der Ostdeutschen“.

Befragt wurden 2.700 Jugendliche zwischen 16 und 29 Jahren sowie 300 Unternehmer oder Personalchefs in den neuen Bundesländern. Und siehe da, sechs Jahre nach der Wende registriert man „nicht mehr nur punktuelle, sondern in allen wichtigen Richtungen Fortschritte“. Sprich, die ostdeutsche Jugend hat schnell gelernt und ist auf dem besten Wege, die Überlegenheit des westlichen Systems anzuerkennen. So fand die IW- Studie heraus, daß entgegen vielen Behauptungen eine „Wende rückwärts“ bei der Ostjugend nicht mehr angesagt sei. Danach würden es nur 1,3 Prozent der Jugendlichen begrüßen, wenn in einigen Jahren der Sozialismus zurückkäme. 69 Prozent bewerten die wirtschaftliche Situation für sich persönlich als Chance.

Einen „klaren Blick“ der Ostjugend diagnostiziert die Studie auch im Hinblick auf die Frage, woran das politische System der DDR unheilbar krankte. 96 Prozent nannte hier die Reisefreiheit, 95 Prozent die fehlende Meinungsfreiheit und 90 Prozent die Demokratieverstöße. Auch die alten Thesen von der sogenannten „Führungsrolle der SED“ und der „Überlegenheit des Sozialismus“ lehnten 82 beziehungsweise 73 Prozent der Befragten ab. Keine Spur also von der angeblich weitverbreiteten Loyalität der ostdeutschen Jugend gegenüber dem DDR-Sozialsmus.

Dagegen steht die Ostjugend dem neuen System der Marktwirtschaft überwiegend positiv gegenüber. Die Hälfte aller Befragten hat laut Studie von vornherein eine positive Einstellung gegenüber der Marktwirtschaft. 87 Prozent lehnten zum Beispiel Subventionen zum Erhalt unrentabler Arbeitsplätze ab. 80 Prozent sprachen sich gegen allgemeine Mietsubventionen aus.

Bei solch wirtschafts- und leistungsorientiertem Denken verwundert es kaum, daß auch die befragten 300 ostdeutschen Unternehmer oder Personalchefs voll des Lobes für ihre jungen Beschäftigten waren. Rund drei Viertel bezeichneten die Leistungsbereitschaft der Jugendlichen als „sehr gut“ oder „gut“, 78 Prozent bewerteten die fachlichen Voraussetzungen und das berufliche Sachwissen ebenso.

Auch die ostdeutschen Jugendlichen selbst fühlen sich laut Studie pudelwohl in der Marktwirtschaft. 80 Prozent der Jugendlichen sehen keine Probleme darin, mit den neuen Freiheiten fertig zu werden, heißt es. Selbst die Arbeitslosen scheinen bester Dinge zu sein. „Nur acht Prozent von ihnen befinden sich auf dem No-Future-Trip“, sagte der Direktor des IW, Gerhard Fels, „was uns sehr überrascht hat.“

Überhaupt sehen die Jugendlichen in den neuen Bundesländern optimistisch in die Zukunft. 86 Prozent halten ihre beruflichen Ziele für realisierbar. Längerfristig keine Chancen zu haben glauben nicht mehr als zwei Prozent. Resignative Haltungen seien daher nicht verbreitet, so die Studie. Auch Berührungsängste gegenüber den „westdeutschen Landsleuten“ kenne die Mehrheit der ostdeutschen Jugendlichen nicht. „Es wächst offenbar eine vielversprechende innovative Generation heran“, so Fels' Fazit. Michael Gerster

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