: Nummernsalat: Rudi und die Wilde 13
■ Wer trägt was auf dem Rücken? Das Leibchen wird zur großen Prestigefrage
Stellen Sie sich vor, Sie werden in der 67. Minute eines Bundesligaspiels eingewechselt, heißen Guido Jörres, Marc Ziegler oder Kevin Knödler und tragen die Nummer 26 auf dem Trikot. Nach einem kurzen Blick auf Ihren Rücken weiß auch der letzte im vollbesetzten Stadion Bescheid: „Mein Gott, was kommt denn nun für eine Flasche?“
Die Profi-Ligen der USA wissen offenbar sehr genau, warum sie ihren Teams erlauben, den Spielern willkürlich Nummern zwischen null und 100 zu verabreichen. Eine leistungsmäßige Hierarchie ist zumindest zahlenmäßig nicht gegeben, kein Mensch kann einem Akteur schon an der Rückennummer ansehen, wes Leibes Kind er ist, der Superstar kann ebenso mit der 23 oder 34 daherkommen wie mit der 16 oder gar 99. Der DFB hingegen hat den Bundesligavereinen mit der Maßgabe, von eins aufwärts durchzunumerieren, eine schwere Hypothek auferlegt. Schon vor dem ersten Ballkontakt hatten die Trainer Konflikte zu lösen, gegen die das Aufstellen einer anständigen Viererkette ein Klacks ist.
Einfach verlosen wäre wohl die simpelste Lösung gewesen, aber dazu wollte sich niemand durchringen, auch wenn es bei Bayern München ein bißchen so wirkt. Kaum ein Klub mochte der Versuchung widerstehen, mittels Nummer erste Weichen für die Saison zu stellen. Im Mittelpunkt stand dabei natürlich die gewichtige 10, getragen von Leuten wie Möller, Matthäus, Thon, Häßler, Effenberg, Okocha. Eine verräterische Zahl, zeigt sich doch sofort, wer keinen vernünftigen Spielmacher hat: Freiburg (Heidenreich), Kaiserslautern (Wollitz), HSV (Breitenreiter), St. Pauli (Pröpper). Außerdem stellte sich das Problem, wie man die Zukurzgekommenen befriedet. In der Regel geschah dies per Multiplikatoreffekt: mittels der 20 (Herzog, Doll, Nemec, Kirjakow) oder gar der 30 (Gaudino).
Meist griffen die Trainer zur einfachen Lösung und verliehen ihrer vermeintlichen Stammelf die Nummern 1 bis 11, während das letzte Aufgebot – siehe Jörres (Köln), Ziegler (Stuttgart) und Knödler (Frankfurt) – die hohen Zahlen zog. Aber es gibt Ausnahmen. Die 18 etwa, Klinsmanns Markenzeichen und Verkaufsrenner der Saison, die auch Edgar Schmitt, Lars Ricken oder Sergej Dikthiar auf besseren Torriecher hoffen läßt. Noch mehr natürlich die berühmte 13 des legendären Gerd Müller, deren übermächtige historischer Bürde sich Völler und Riedle auferlegten. Traditionalisten wie Toni Polster, Bernd Hobsch, Stéphane Chapuisat, Pavel Kuka, Ulf Kirsten halten es da lieber mit der Seeler- bzw. Streich- Nummer, der guten alten 9.
Ziemlich out: die zauberhafte 14 des Johan Cruyff. Wie sonst könnte sie ausgerechnet auf den Rücken von Michael Schulz (Bremen) geraten. Matti Lieske
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