: Liebevoll kalkulierte Flops
■ Off-Kinos in Berlin, Folge 3 - Zwei Säle statt Kino-Kneipen-Kombi: das neue fsk
Die Idee war, das riskante Unternehmen Kino mit der sicheren Bank Kneipe abzusichern. Die Voraussetzungen dafür schienen in der Wiener Straße, Kreuzbergs längster Theke, ideal. Die Idee hat nicht funktioniert. „Letzten Endes hat das Kino die Kneipe finanziert“, erzählt fsk-Chef Christian Suhr, „wir sind wohl nicht so gute Kneipiers wie Kinomacher.“
Ende 1988 eröffneten die fünf Betreiber, die ihre Kinoerfahrungen im Regenbogenkino gesammelt hatten, das fsk. Vorne die Kneipe, hinten Leinwand und Flugzeugsitze. Aber, so Suhr, „das Geld ist in der Kneipe viel schwerer verdient als im Kino.“ Die Miete war sowieso zu hoch, und als Sanierungen anstanden, beschloß man, sich nach anderen Räumen umzusehen. Im letzten Jahr, nach eineinhalb Jahren Suche, wurde man am Oranienplatz fündig. „Die Lage ist perfekt, die Raumhöhe ausreichend und der Preis günstiger als in der Wiener.“ So fiel die Entscheidung für den Umzug leicht.
Der Umbau der Ladenräume in dem frisch renovierten Haus wurde selbst finanziert. Viel Eigenleistung und Kredite von Freunden und Familie waren nötig, um pünktlich zu Weihnachten 94 am neuen Ort wiederzueröffnen. Dort hat das fsk nun zwei Säle mit 99 beziehungsweise 66 Plätzen. Ursprünglich sollten 120 und 80 Plätze entstehen, „aber irgendwie wurden die Räume immer kleiner“.
Die beiden Leinwände schaffen die Möglichkeit, das fsk auf finanziell solidere Beine zu stellen. „In dem einen Kino machen wir das, was wir bisher gemacht haben; in dem anderen ein etwas kommerzielleres Programm.“ Zwar läuft das fsk seit dem Umzug so gut, daß es seine fünf Betreiber halbwegs ernährt, aber „wir werden auch nicht reich“. An das Zurückzahlen von Schulden ist trotz 50-Stunden- Woche jedoch nicht zu denken. Einer stärkeren Kommerzialisierung stehen bisher allerdings die Verleiher und das ästhetische Gewissen entgegen. „Die Sachen, die man kriegen könnte, möchte man dann vielleicht nicht spielen.“ Der neue Film von Rudolf Thome war ihnen zu schlecht, „Kiss of Death“ von Barbet Schoeder hat ihnen auch nicht gefallen. Zusätzlich hat das fsk die gleichen Probleme wie andere kleine Kinos: Die Verleiher müssen erst in mühevoller Kleinarbeit überzeugt werden, Kopien zur Verfügung zu stellen. Und wenn es gelingt, finanziell vielversprechende Filme zu organisieren, bleibt oft ein ungutes Gefühl. „Die Verurteilten“ – „The Shawshank Redemption“ lief zwar im Nachspiel sehr gut, doch selbst das Gefängis-Epos mit Tim Robbins war für die fskler „ein Grenzfall. Aus der Ecke gibt es ja nicht allzuviel Akzeptables.“
So ganz haben die fsk-Macher noch nicht herausbekommen, was am neuen Standort ankommt. Obwohl die alten Räume in Laufnähe liegen, gibt es am Oranienplatz „merkwürdigerweise ein ziemlich neues Publikum“. „Die Verurteilten“, da ist sich Suhr sicher, wäre „in der Wiener Straße gnadenlos gefloppt“. Zwar gehen sie bei der Programmgestaltung weiterhin von den eigenen Vorlieben aus, werden weiterhin ihre „Lieblinge“ wie Alan Rudolph, Herbert Achternbusch und Jacques Doillon spielen, „aber man will ja auch gern ein Publikum haben“.
Mit den zwei Vorführräumen haben sie den unschätzbaren Vorteil, auch weiterhin Filme zeigen zu können, „bei denen wir von vornherein wissen, daß keiner kommt. Wir zeigen sie dann halt nur eine Woche oder plazieren sie zeitlich entsprechend.“ So etwas geschieht beispielsweise regelmäßig mit Eric Rohmer: „immer super Kritiken, aber die Leute gehen trotzdem nicht rein.“
Der letzte „kalkulierte Flop“ war „Anna Zeit Land“ von Christoph Hübner. Trotzdem sind die fskler weiterhin davon überzeugt, daß „es für alles ein Publikum gibt, manchmal hat es halt nur eine begrenzte Größe“. Deshalb macht es auch wenig bis gar keinen Sinn, Filme ohne Verleih, von denen eine Kopie oft unter beträchtlichem Aufwand organisiert werden muß, in befreundeten Berliner Kinos zu zeigen. Ein „Ortswechsel ist eher kontraproduktiv“, denn trotz arbeitsintensiver Pressearbeit gibt es „für solche Filme nur ein kleines Publikum“.
So besinnt sich „das Kollektiv“ bis auf weiteres auf das Konzept aus Wiener Tagen: „Die Filme zeigen, die sonst nicht gezeigt werden, die Nische suchen, die liegengebliebenen Filme, die was taugen.“ Das heißt viel Recherche, viel Telefonieren, viel Engagement, viel Arbeit. In nächster Zukunft sind Reihen mit Filmen von osteuropäischen Regisseurinnen und Filme zum Thema Todesstrafe geplant. Der Grundsatz der fskler bleibt weiterhin gültig: „Bloß weil die Leute etwas sehen wollen, zeigen wir es noch lange nicht.“ Thomas Winkler
fsk am Oranienplatz, Segitzdamm 2, Kreuzberg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen