■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Herr Hoffmann ist beim Reiten
Politisch ist ja gerade nicht so viel los in der Stadt. Es sei denn, man hält Bürgermeister Henning Scherfs Auftreten für ein Politikum. Am letzten Samstag konnte er sich doch partout nicht merken, wie der diesjährige Träger des Hannah-Arendt-Preises heißt. So musste sich der venezianische Bürgermeister Massimo Cacciari die Namensverballhornung Katschiriri oder so ähnlich gefallen lassen. Und als Hermann Schorf seinen Fehler bemerkte, verlegte er sich kurzerhand aufs brüderliche Mmmaaasssimo. Ganz fröhlich gedrückt hat er seinen Kollegen hinterher natürlich auch, doch viele der 200 Gäste senkten verschämt über diese Peinlichkeit ihre Köpfe.
Aber wie gesagt: Sonst ist nicht so viel los in der Stadt. Und wie immer, wenn nicht so viel los ist, räume ich auf. So richtig gründlich – mit Industriesauger, Staubwedel und Wischmop. Und neulich beim Aufräumen habe ich eine alte Fernsehzeitung gefunden und musste ganz schön staunen. Die Radio-Bremen-Reihen „Unter deutschen Dächern“, „Extratour“ und die Comedy mit Hape Kerkeling sprangen mir da ins Auge. Im Dritten lief damals die tolle Talk-Show „III nach 9“ und eine Wiederholung von Loriot. Mensch, dachte ich, was war Radio Bremen da noch vertreten im Ersten Deutschen Fernsehen. Heute ist das bekanntlich anders. Selbst im dritten Programm N 3 – dem Namen nach das Gemeinschaftsprogramm von Radio Bremen und dem NDR – spielt der kleinste ARD-Sender so gut wie überhaupt gar keine Rolle mehr.
Das wollte ich mir dann doch mal erklären lassen und rief einen gut informierten Bekannten in Hamburg an. „Weißt Du“, sagte der, „Radio Bremen brachte einfach keine Quote mehr.“ Als Jürgen Kellermeier Fernsehdirektor beim NDR wurde, ging es aber nur noch um „Quote und Relevanz“. Und bis auf „III nach 9“ brachten fast alle Radio-Bremen-Sendungen im Dritten weder Quote noch waren sie relevant. „Wie Gutsherren haben Kellermeier und seine Leute über die Beiträge aus Bremen bestimmt. Jeden Film haben die persönlich abgenommen“, erzählte mein Bekannter und ergänzte: „Natürlich nur, wenn sie wirklich Lust dazu hatten.“
Ich konnte kaum glauben, was ich da hörte. Aber auch mein Bekannter hielt das für unglaublich: „Das Seltsame war, dass sich die Bremer das alles haben gefallen lassen.“ Mancher beim NDR hatte sogar richtig Mitleid mit den Kleinen von der Weser. Aber für die Hamburger sei es auch ganz einfach gewesen, dieses Spiel zu betreiben: „Alle wussten, dass der ehemalige Fernseh-Direktor Rüdiger Hoffmann mehr Interesse am Reitsport hat als an seinem richtigen Beruf.“ Da gab es einen einfachen Trick, um direkte Kontakte mit den Bremern zu vermeiden: „Ab halb vier war Rüdiger Hoffmann sowieso nicht mehr in seinem Büro zu erreichen, weil er dann schon in den Reitstall gefahren ist.“ Und dann, fragte ich ganz neugierig? „Dann hat Kellermeier eben erst um vier Uhr angerufen.“ Es sind eben in der ARD auch nur Leute wie Du und ich tätig, weiß
Ihre Rosi Roland
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