piwik no script img

Spekulationen über Aufstand bei Bagdad

Meldungen über Revolte in der irakischen Stadt Abu Gharib / Angeblich die Freilassung aller Häftlinge aus dem örtlichen Gefängnis gefordert / Unzufriedenheit über Wirtschaftskrise  ■ Von Karim El-Gawhary

Kairo (taz) – Als reines Wunschdenken beschrieb gestern die irakische Führung Berichte über einem Aufstand im Westen der irakischen Hauptstadt Bagdad. Diejenigen, die diese grundlosen Berichte veröffentlicht hätten, würden durch Millionen von Petrodollars unterstützt, hieß es in einer Meldung der offiziellen irakischen Nachrichtenagentur.

Nach Berichten irakischer Oppositioneller in der jordanischen Hauptstadt Amman sollen Aufständische am Mittwoch im 20 Kilometer westlich von Bagdad gelegenen Abu Gharib einen Rundfunksender und einen privaten Hubschrauberlandeplatz Saddam Husseins angegriffen haben. Bei den Kämpfen sollen Panzer und Helikopter eingesetzt worden sein. Bis zum Abend hatten angeblich loyale Truppen die Gebäude, in denen sich die Aufständischen verschanzt haben, umzingelt.

Die genauen Umstände und die Hintergründe des Angriffes liegen weiterhin im Dunkeln. Anbar, die Region, in der Abu Gharib liegt, gilt mit ihren 1,2 Millionen Einwohnern als unsicheres Territorium für Saddam Hussein. Bereits im Mai waren dort, angeführt von dem lokalen Al-Dulaimi-Clan, Unruhen ausgebrochen. Anders als bei vorherigen Aufständen, die meist von Schiiten angeführt wurden, handelt es sich bei dem Al- Dulaimi-Clan um eine einflußreiche sunnitische Familie, die Saddam Hussein den Kampf angesagt hat. Nach Angaben von Oppositionskreisen in London sollen bei den Aufständen im Mai 170 Menschen umgekommen und 850 verhaftet worden sein. Der Auslöser der damaligen Unruhen war die Übergabe der Leiche des gefolterten und hingerichteten Generals Muhammad Maslum Al-Dulaimi an seine Familie. Der General soll an einem Umsturzversuch im November beteiligt gewesen sein.

Laut oppositionellen Augenzeugenberichten forderten die jetzigen Aufständischen die Freilassung aller Häftlinge im Gefängnis von Abu Gharib. Viele von ihnen sitzen dort seit dem Aufstand im Mai ein und gehören ebenfalls dem Al-Dulaimi-Clan an. Im Gefängnis sollen sich auch die beiden US- Amerikaner befinden, die im März wegen eines illegalen Grenzübertritts in den Irak festgenommen wurden und zu acht Jahren Gefängnis verurteilt wurden.

Diplomatische Kreise in Bagdad bestätigten unterdessen, daß die Lage in der Hauptstadt ruhig sei und daß der Radiosender weiterhin ungestört ausstrahlt. Ein Diplomat gab an, daß er in Abu Gharib keine Zeichen eines Aufstandes ausmachen konnte. In Washington erklärte ein Sprecher des US-Außenministeriums, daß man dort zwar ebenfalls die Berichte gehört habe, aber die Vorfälle nicht bestätigen könne.

Währenddessen hat der liberale US-Politiker Jesse Jackson dem US-Präsidenten Bill Clinton vorgeschlagen, in den Irak zu fahren und über die Freilassung der beiden Amerikaner zu verhandeln. Die Aufstände der letzten Monate finden auch auf dem Hintergrund der zunehmenden ökonomischen Frustration der irakischen Bevölkerung statt. Das seit fünf Jahren andauernde Embargo gegen den Irak hat inzwischen zu massiven Versorgungsengpässen im Land geführt. Hilfsorganisationen und die UNO berichten, daß im letzten Jahr der Lebensstandard der 18,5 Millionen IrakerInnen merklich abgesunken ist und selbst die Hauptstadt nicht mehr von Engpässen verschont bleibt. Ende letzten Jahres hatte die Regierung in Bagdad die Essensrationen um 40 Prozent gekürzt. Die irakische Währung ist unterdessen in den Keller gesunken. Allein in den letzten zwei Jahren sank der irakische Dinar auf ein dreizehntel seines früheren Wertes.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen