piwik no script img

Höhere Giftwerte als vor der Sanierung

■ Schöneberger Finowschule auch nach vierjährigem Leerstand und Probesanierung wieder stark belastet / Bezirksparlament stimmt über Abriß ab

Seit Oktober 1991 Jahren werden die Schüler und Schülerinnen der Schöneberger Finow-Grundschule hin und her geschickt. Zunächst waren sie drei Jahre lang auf drei unterschiedliche Schulen verteilt, nun sind sie seit einem Jahr in einem „eigentlich schon vor zwanzig Jahren ausgemusterten Schulgebäude“ in der Kyffhäuserstraße, klagt Schulleiter Gerd Cyrusin. Die SchülerInnen mußten ihr altes Domizil in der Welserstraße, verlassen, da die Fugen des Baus aus den sechziger Jahren stark mit krebserregenden Polychlorierten Biphenylen (PCB) verseucht waren. Bei Messungen Mitte 1991 wurde der Grenzwert um ein Vielfaches überstiegen. Damals erstellte die Gesellschaft für Sicherheits- und Umwelttechnik (GSU) ein Gutachten für eine Sanierung. Im Oktober 1993 wurden die Fugen in der gesamten Schule entfernt und zwei Räume „probesaniert“ – mit geringem Erfolg. Nach der Sanierung lagen die Werte zwar unter dem Grenzwert, zwei Jahre später aber lagen die Werte höher als zuvor.

„Ich war stinkesauer und völlig geplättet“, entrüstet sich die Volksbildungsstadträtin Karla Werkentin (Bündnis90/Grüne) über das Gutachten. „Eigentlich haben wir erwartet, daß die Werte weiter sinken würden, da das Gebäude ausdünst. Dies hat uns auch damals die Gutachterfirma so dargestellt“, sagt Werkentin. Der GSU-Geschäftsführer Matthias Feiling entschuldigt den Fehlschlag damit, daß die Fenster zu stark abgedichtet gewesen seien. „Dadurch ist es nicht zu der erwarteten Ausgasung gekommen“, so Feiling.

Nun schlägt die Firma eine Sanierung mit einer Spezialfarbe mit einem hohen Naturkautschukanteil vor. Diese neue Sanierungstechnik werde nicht aufgrund der fehlgeschlagenen Problesanierung angewandt, vielmehr hätten sich die Erkenntnisse in den letzten zwei Jahren weiterentwickelt, behauptet die Firma. Die Schöneberger SPD-Fraktion will sich darauf jedoch nicht einlassen. „Wir vertrauen solchen Aussagen der Gutachten nicht mehr“, sagt Hanns Leske. Die SPD hat für die nächste Bezirksverordnetenversammlung am 21. Juni den Antrag auf einen Abriß der Schule gestellt.

Die Sanierung der Finowschule würde etwa 10 Millionen Mark, ein Abriß mit anschließendem Neubau der Schule an der gleichen Stelle 36 Millionen Mark kosten. Dieses Geld ist jedoch nicht vorhanden. „Unseriös“ nennt die Baustadträtin Sabine Ritter (Bündnis90/Grüne) deshalb den SPD-Vorschlag. „Die SPD spekuliert mit Geld, über welches sie nicht selbst verfügt“, sagt Ritter. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Leske will nämlich einen Neubau durch ein „Umschichtung auf Landesebene“ finanzieren.

Auch die Eltern glauben nicht an einen Neubau. Sie tendieren zu einer erneuten Sanierung der Schule. „Wir müssen diesen Schulstandort unbedingt erhalten. Man kann Grundschülern nicht einen so langen Schulweg zumuten“, sagt die Sprecherin der Gesamtelternversammlung, Dagmar Henle- Dieckmann. „Wir warten sehnsüchtig darauf, wieder in die alte Finowschule zurückkehren zu können“, sagt auch der Schulleiter Cyrus. Er sorgt sich, daß nach einem Abriß der Schulstandort ganz verloren geht. Auch von einem Neubau hält er nichts. „Schließlich könnte auch ein Neubau belastet sein. Wer weiß schon, welche Stoffe, die heute noch als harmlos gelten, morgen als Gifte eingestuft werden.“ Ina Rust

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen