: Krank und alt, aber nicht im Bett
Klinikum Nord/Ochsenzoll reduziert Betten in der Psychiatrie ■ Von Sandra Wilsdorf
Weniger Betten für alte Menschen, die seelisch krank sind: Im Klinikum Nord/Ochsenzoll wird die Gerontopsychiatrie zum 1. Januar von 128 auf 100 Betten reduziert, in der Allgemeinpsychiatrie werden und wurden 20 bis 30 Betten abgebaut: Das heißt Modernisierung und Psychiatrie-Reform. „Aufgrund kürzerer Verweildauern, konsequenter Umsetzung verbesserter Behandlungsmethoden und besserer Vernetzung mit außerklinischen Einrichtungen kann eine geringfügige Bettenreduzierung in der Allgemein- und der Geronto-psychiatrie vorgenommen werden, ohne den Versorgungsauftrag des Klinikums zu gefährden“, sagt Professor Ulrich Vetter, Ärztlicher Direktor des Klinikums Nord.
„Die Verweildauer in der Psychiatrie lag 1991 bei durchschnittlich 49, 1998 bei 29 Tagen“, sagt Siegmar Eligehausen, Pressesprecher des Landesbetriebs Krankenhäuser (LBK) Hamburg. Deshalb könne man mit 28 Betten weniger gleich viele Patienten behandeln.
Daran gibt es Zweifel. Rainer Hölzke, Vorstandsmitglied der Hamburgischen Gesellschaft für soziale Psychiatrie, sagt: „Eigentlich sind sich alle einig, dass es in Hamburg zu wenig stationäre und außerklinische gerontopsychiatrische Plätze gibt.“ Er glaubt weniger an die Macht des Fortschritts als an die der Krankenkassen: Es gebe Aussagen, denen zufolge die Kassen Anweisung erteilt hätten, ein Psychiatrie-Aufenthalt solle nicht länger als 24 Tage dauern. „Ich habe den Eindruck, der LBK macht sich zum Erfüllungsgehilfen.“ Hölzkes Hauptvorwurf: „Es hat offenbar weder eine Abstimmung mit der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) noch mit anderen psychiatrischen Einrichtungen gegeben.“
Auch BAGS-Sprecher Stefan Marks sieht „Handlungs- und Klärungsbedarf mit dem LBK“. Die Behörde habe einen Bewilligungsbescheid über 6,5 Millionen Mark, die der LBK für einen Ausbau der gerontopsychiatrischen Abteilung erhalten sollte, ausgesetzt. Für Eligehausen ein Missverständnis: Das Geld sei „für eine bauliche Anbindung an die Geriatrie“ vorgesehen, eine Abteilung, die stärker medizinisch arbeitet als die Geronto-psychiatrie und die sinnvollerweise mit dieser vernetzt ist. „Dafür sollen die baulichen Voraussetzungen geschaffen werden.“
Der CDU-Bürgerschafts-Abgeordnete Dietrich Wersich argwöhnt: „Das Geld gab es für Erweiterung, nicht für Neubau. So versucht der LBK finanziert zu bekommen, was eigentlich nicht mehr bezahlt wird.“ BAGS-Sprecher Marks: „Eine absurde Unterstellung.“ Außer ums Geld geht es vor allem darum, ob es in der Gerontopsychiatrie zu viele Betten gibt: „Natürlich soll niemand länger als nötig im Krankenhaus sein. Aber wo Betten abgebaut werden, müssen in gleicher Größenordnung außerklinische Angebote geschaffen werden“, sagt die Bürgerschafts-abgeordnete Dorothee Freudenberg (GAL). Da sehe sie Defizite.
Und während Eligehausen vom LBK sagt: „Es gibt in Hamburg keine Wartelisten“, differenziert Hölzke: „Das gilt für die Krankenhäuser, für außerklinische Einrichtungen gibt es sehr wohl sehr lange Wartelisten.“ Da müssten Patienten zuweilen nach Schleswig-Holstein verwiesen werden. „Das reißt sie völlig aus ihrem sozialen Umfeld“, sagt Freudenberg.
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