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Zwischen den RillenFight the Plattenfirmenlogik

■ Ungebändigtes Popschaffen: Ani diFranco und das Symbol

Ab einer bestimmten Größe stellt sich diese Frage neu: Wem gehört eigentlich ein Popstar – sich selbst oder seiner Plattenfirma? Diese Frage hat sich Prince einmal in einer stillen Minute gestellt und gelangte dabei zu der Erkenntnis, nicht viel mehr als ein Sklave zu sein.

Der Rest ist Geschichte: Seitdem möchte der Mann als autonom agierender Künstler ernst genommen werden. Er schickte sein Alter ego Prince in Rente, nannte sich eine Zeit lang, sozusagen im Übergangsstadium, The Artist formerly known as Prince und seit einiger Zeit bloss noch The Artist oder gar schlicht und ergreifend Symbol. Er wechselte die Plattenfirmen wie früher seine musikalischen Gespielinnen.

Er ließ die Welt durch seine Titel und durch die ungewöhnliche Veröffentlichungsform seiner letzten Platte, der Dreifach-CD „Emancipation“, wissen, dass er sich jetzt endlich frei fühle. Um nun seine neue Platte schon wieder unter einem neuen Dach zu veröffentlichen.

Die Abhängigkeit von Plattenfirmen und deren Regeln möchte auch Ani diFranco nicht akzeptieren. Innerhalb kürzester Zeit hat sie ganze 14 Platten auf den Markt geschmissen, ihr neuestes Werk, „To The Teeth“, ist schon das dritte in diesem Jahr. Da kommt ohnehin keine Plattenfirma mehr mit, die Nachfrage anzukurbeln.

Außerdem ist immer noch unklar, als was Ani diFranco nun genau vermarktet werden soll: als Folktante mit Joni-Mitchell-Foto im Gitarrenkoffer oder eher als selbstbewusste Rocklady mit Herz für Seelöwenbabys. Solche Fragen kümmern Ani diFranco freilich wenig. Ihr Image, auf das sie eigentlich keinen Wert legt, aber dennoch stolz ist: unkategorisierbar sein. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – verkaufen sich ihre Platten unverschämt gut. Das bringt ihr Respekt von ähnlich eigensinnigen Kollegen ein. Beck, der als unartiger Junge immer wieder alle überrascht, seine Fans genauso wie die Zahlenjongleure in der Buchhaltung, betont in Interviews, dass er Ani diFranco für ihre kompromisslose Veröffentlichungspolitik bewundere, und auch The Artist ist angeblich hin und weg von der Kollegin.

Jedenfalls musste Ani diFranco bei einem Stück auf der neuen The-Artist-Platte unbedingt Gitarre spielen, im Gegenzug gibt es dessen Stimme als Begleitung auf einem Song ihrer neuen Platte „To The Teeth“.

Aber noch über ein anderes Detail werden Parallelen zwischen den beiden Künstlern offenbar. Beide haben sich ein paar Saxophontöne von Maceo Parker einspielen lassen, dem Funkateer, der schon zur Grundausstattung der legendären James-Brown-Band Ende der Sechziger gehörte.

Stichwort: Funk, nachgefragt bei The Artist, dem, der wie kein anderer Funk wie Pop glitzern lassen kann. Antwort: Das Zackige und Hüftbetonte durch die totale Rhythmifizierung, weswegen man ja gerne bei Funk von einer „heißen“ Musik spricht, kommt bei The Artist nun glatter als je zuvor daher.

Das macht aber nichts, denn dafür hat er seine Lust an Spielereien und hybridem Pop in einer Weise entfaltet, die an die zuckrigsten Bombastmomente von Prince erinnert. Sheryl Crow ist noch mit von der Partie, die No-Doubt-Sängerin Gwen Stefani und Chuck D von Public Enemy.

Ein bisschen HipHop gibt es also auch – aber sicherlich nicht aus Gründen des Novelty-Zwangs, schließlich hat schon Prince in den Achtzigern mit HipHop experimentiert. Hier geht es eher um gegenseitig erwiesenen Respekt. Nicht zuletzt haben Public Enemy mit ihrer aktuellen Platte, die es zuerst als MPEG-Datei im Internet zu hören gab und erst dann in den Plattenläden, sich ähnlich distanziert von der Plattenindustrie gezeigt wie The Artist, der schon vor Jahren sein 5-CD-Set „Crystal Ball“ ausschließlich über das Internet vertreiben lassen wollte.

Sicherlich findet man den grenzenlos innovativen Gestus von Prince bei einer Platte wie „Rave un2 the Joy fantastic“ nicht mehr unbedingt – was beinharte Fans des „Mozart of Pop“ bestimmt enttäuschend finden werden. Eine gute Popplatte ist es dennoch geworden. Würde The Artist nicht immer an sich selbst gemessen werden, wären alle zufrieden.

Aber was soll man da erst von Ani diFranco sagen. Nett, das trifft es ganz gut. In den innovativsten Momenten treffen auf „To The Teeth“ Folksongs auf ein paar Dance-Beats, ansonsten bleibt die Mischung aus Joan Baez und Heather Nova, aus Wandergitarrenpop und zurückhaltend emphatischen Momenten doch ein wenig zu brav, um mehr zu sein als bloß eine mit ein paar eklektizistischen Funken angereicherte Rockplatte. Man kann den Gesang von Ani diFranco ausdrucksstark nennen, von leichtem Pathos befallenes Gejammer trifft es aber besser. Und das bisschen Funk, für das Maceo Parker sorgen sollte, muss man auch mit der Hörlupe suchen. Und außerdem: Ein wenig postmodern ist ja heute schon fast der ironiefreieste Breitbeinrocker. Andreas Hartmann ‚/B‘The Artist: „Rave un2 the Joy fantastic“ (Arista/BMG) Ani diFranco: „To The Teeth“ (Cooking Vinyl/PP-Sales)

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