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■ Stuckrad-Barre muss sterben

Es gibt schlimme Worte. Zum Beispiel: Wehrmacht, Wichsen, Wuppertal und Weihnachten. Wer mag, kann sie auch miteinander kombinieren, etwa: Die Wichser von der Wehrmacht wichsten zu Weihnachten in Wuppertal.

Nichts gegen die launige Stadt an der Wupper – in Wedding, Wernigerode oder Waren liegen sicher ebenfalls Leichen im Keller – und im Prinzip auch nichts gegen Weihnachten, wenngleich mir der Internationale Tag des Ehrenamts (5. 12.) eigentlich besser gefällt. Jedes Wesen hat ein Recht zum Glücklichsein, und der liebe Gott wird sich schon was gedacht haben, als er Weihnachtsbäume, Adventskränze und solche Sachen gemacht hat. Nur: Solange du die Füße unter meinen Tisch stellst . . .

Historisch gesehen ist Weihnachten, „das Fest der Betrunkenen“ (FAZ), ja ohnehin eine traditionsarme Erfindung der Neuzeit wie etwa Gummibärchen oder Barbiepuppen. Da empören sich natürlich gleich die Gummibärchen, und der blondlockige Grinsereplikant, der so hübsch eine Weile jeden Tag vor der „Tagesschau“ mit ihnen seinen grausamen Spaß trieb, schaut wie immer dumm aus der Wäsche. Natürlich mache ich mich nicht anheischig, Barbiepuppen und Gummibärchen oder Weihnachten und Hitler miteinander vergleichen zu wollen, möchte aber auf die offensichtlichen strukturellen Ähnlichkeiten hinweisen und den Feministinnen zudem zu bedenken geben, dass am Anfang unserer Zeitrechnung ein denkbar radikales, wenn auch unausgesprochenes Abtreibungsverbot stand.

Das neue Weihnachten – im trauten Familienkreis mit Bescherung, Kartoffelsalat usw. – ist eine Erfindung des neunzehnten Jahrhundert, wie das Neue Deutschland am 4. 12. richtig erkannte. Die Geschenke, die man durch anonmye Überich-Instanzen überbringen ließ, dienten der Zurichtung der Kinder, die sich nicht durch Geschenke, sondern nur durch Sekundärtugenden revanchieren sollten: „Wenn die Kinder artig sind, kommt zu ihnen das Christkind; wenn sie ihre Suppe essen und das Brot auch nicht vergessen, wenn sie, ohne Lärm zu machen, still sind bei den Siebensachen, beim Spaziergehen auf den Gassen von Mama sich führen lassen, bringt es ihnen Guts genug und ein schönes Bilderbuch“, heißt es im Struwwelpeter.

Nieder mit dem Weihnachtsschwachsinn! „Benjamin von Stuckrad-Barre muss sterben, damit ich leben kann!“, sagte eine Freundin neulich auf dem Weihnachtsmarkt. Lang lebe der nassgraue Dezember! Detlef Kuhlbrodt

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