Kommentar: Wir feiern woanders
■ "Lichtkathedrale" ist ein Fauxpas vieler
Die Millenniumsfeier 2000 ist durch Gert Hofs Scheinwerfer-Spektakel in ein schiefes Licht geraten. Die Nähe zu den Lichtdomen der Nazis, die Veranstaltung auf der früheren Speerschen Ost-West-Achse und schließlich der Standort selbst, die von den Nationalsozialisten als Waffendenkmal auserkorene Siegessäule, sind Grund genug, die geplante „Lichtkathedrale“ als Fauxpas zu bezeichnen und abzublasen.
Da helfen Hofs Beteuerungen wenig, die Lichtinstallation mit der Lichtarchitektur der Nazis zu vergleichen sei „unsinnig“. Und buntes Licht gepaart mit Konfetti und Musik, in Sektlaune und mit Feuerwerk mache alles halb schlimm.
Schlimm ist es wahrlich nicht, sondern einfach nur naiv, ein wenig dumm und geschichtslos.
Doch den Fauxpas haben andere mit zu verantworten. Immer mehr stellt es sich als Fehler heraus, dass das Land die Feier in private Hände gegeben hat. In der treuherzigen Annahme, alles wird schon gut gehen, hat man die Augen vor dem kommerziellen Habitus verschlossen, der einzig auf Spektakel setzt und die Millenniumsfans zur Staffage degradiert.
Übersehen hat man auch, dass der Vorsitzende des Beirats für Silvesterfragen, Festspielchef Ulrich Eckhardt, in seinem Amt schlicht überfordert ist. Wie sonst konnte es geschehen, dass der Beirat kaum Sitzungen angesetzt hat, die Bezirke außen vor ließ und Eckhardt selbst die Chose als unbedeutend abtut. Dass ihm zur „Lichtkathedrale“ nur einfällt, sie sei ein Zitat der Ästhetik der Moderne, mag man noch hinnehmen. Nicht jeder kann Speers Lichtdome kennen. Dass er sich aber nach massiven Protesten von Hilmar Hoffmann über Lea Rosh bis hin zur Abgeordneten des Landtags einigelt und stumm neben seinem Telefonhörer sitzt, lässt ahnen, dass der Festspielmann Gewissensbisse hat, sich aber dazu nicht bekennt.
Wer seine Taschenlampe anknipst und in den Himmel hält, ist kein Faschist. Wer Laserprojektionen mag, auch nicht. Und buntes Licht muss nicht an Speer erinnern. Im Kontext des Ortes aber hört der Spass auf. Wir feiern einfach woanders.
Rolf Lautenschläger
Bericht Seite 29
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