: Gerungen wird um jeden Grashalm
Auch beim 1:1 gegen Stuttgart erfreut Borussia Dortmund seine Fans mit wieder entdeckten Tugenden und bietet britischen Fußball mitten in Westfalen ■ Von Ulrich Hesse-Lichtenberger
Dortmund (taz) – Erst waren Schotten zu Gast, dann Schwaben. Als Dortmunder konnte man also zu Beginn der letzten Woche wirklich nicht erwarten, an ihrem Ende reich beschenkt dazustehen. In der Tat endete das samstägliche Bundesligaspiel zwischen Borussia Dortmund und dem VfB Stuttgart folgerichtig mit einem geizigen 1:1 und könnte als Fortführung der schwarzen Serie der Schwarz-Gelben (sieben Punktspiele ohne Sieg) verstanden werden. Und doch kamen sich viele der BVB-Fans beim Abpfiff beschert vor und spendeten ihrem Team Applaus.
Zum einen spiegelte das enttäuschende Ergebnis das engagierte Spiel der Heimelf kaum wider, zum anderen war es bei der Begegnung gegen den VfB aus Dortmunder Sicht ohnehin nur in zweiter Linie um Punkte gegangen. Viel wichtiger war dem Publikum die Frage, ob ihre Borussia die Leistung aus dem Drama gegen die Glasgow Rangers bestätigen würde. Anders gesagt: Konnten die Spieler beweisen, dass es in einer Welt von Börsengängen und Schablonenkicks doch noch Hoffnung auf richtigen Fußball gab?
Um diese Einstellung zu verstehen, muss man um die Bedeutung des Uefa-Cup-Spiels vom vergangenen Dienstag wissen. Das jetzt schon legendäre Match gegen Glasgow war nicht bloß das aufregendste Spiel, das man seit über zwei Jahren in Dortmund gesehen hat, es bot auch genau die Art von Fußball, die man im Ruhrgebiet über alles liebt und die für immer verloren gegangen schien: Laufstark und risikobereit hatte der BVB auf tiefem Boden über Kampf auch zu feinem Spiel gefunden und war mit vielen Torchancen belohnt worden. Kein kontinentaleuropäisches Taktieren, sondern britischer Fußball mitten in Westfalen: Nach so etwas lechzt der Dortmunder Fan, und – tatsächlich! – er bekam gegen Stuttgart dasselbe Spiel noch einmal zu sehen, bloß mit weniger glücklichem Ausgang.
„Das Stadion, das Wetter, das Spiel – das war heute wie damals in der ersten englischen Division“, meinte auch Stuttgarts Trainer Ralf Rangnick, der seine Studienzeit auf der Insel verbracht hat. Danach verfiel er zwar schnell wieder in die Dozentenrolle und kritisierte, dass seine Profis „zu sehr an Gegenspielern orientiert waren“, aber das wollte schon niemand mehr hören oder gar verstehen. Denn schließlich hatte gerade das die 60.500 im Westfalenstadion so gut unterhalten: Nah am Gegenspieler, um jeden Grashalm ringen und stets nach vorne spielen. „Es war ein tolles Kampfspiel“, sagte folgerichtig auch BVB-Coach Michael Skibbe, „in dem mein Team nach Glasgow super nachgelegt hat.“ Allein die fehlende Verwertung der Torchancen bedrückte ihn: „Wir scheiterten am Torwart, der Latte und auch am eigenen Unvermögen.“
In der Tat. Zwar brachte Fredi Bobic den BVB nach einem flotten Spielzug über Viktor Ikpeba und Sergej Barbarez in Führung (23.), vergab danach aber mehrere dicke Möglichkeiten, das Spiel zu entscheiden. Und als dann Ikpeba und Lars Ricken nur die Latte trafen und Jürgen Kohler den Ball aus vier Metern nicht ins Netz brachte, da erlahmten die arg geschundenen Borussen-Beine auf dem morastigen Boden so sehr, dass man am Ende froh sein musste, dass der VfB nur einen seiner Konter verwertet hatte. Das war schon in der 25. Minute geschehen, als Sean Dundee nach einer Einzelleistung des flinken Roberto Pinto abstauben konnte.
Und doch war nicht alles Kampf, Freude und Eierkuchen. Britischer Fußball mag nämlich den Fans liegen, nicht aber Dortmunds Sergej Barbarez. Der stapfte nach seiner vom Publikum gefeierten Auswechslung mit feuchten Augen in die Kabine, wissend, dass seine Spielweise ihn erneut zum Buhmann gemacht hatte. „Sergej ist in die Kategorie Künstler, nicht Kämpfer einzuordnen“, erklärte BVB-Manager Michael Maier. Helfen wird das nicht. Ebenso wenig wie die regelmäßigen, nun fast peinlichen Solidaritätsbekundungen der Gästetrainer für Michael Skibbe. Diesmal war es Rangnick, der sich für die Schmährufe der VfB-Fans entschuldigte. Dabei hatte außer denen nun wirklich niemand „Skibbe raus!“ skandiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen