piwik no script img

Rädelsführer stellen sich

Innensenator und Polizeipräsident debattieren über Bergedorfer Nazi-Demo  ■ Von Peter Müller

10. Juli 1999: Ausnahmezustand in Bergedorf, Demonstrationsverbot für alle demokratischen Kräfte. 6000 PolizistInnen drängen ProtestlerInnen mit Gewalt ab, um 500 militanten Neofaschisten den Weg zu bahnen. Mit Parolen wie „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ marschieren sie durch die Bergedorfer Innenstadt und gegen die Wehrmachtsausstellung.

Über fünf Monate danach sind die Vorfälle juristisch und politisch noch immer nicht aufgearbeitet. Die Verantwortlichen, SPD-Innensenator Hartmuth Wrocklage und Polizeipräsident Justus Woydt, stellen sich nunmehr morgen auf einer Veranstaltung des DGB-Ortskartells zum Thema „Neonazis in Bergedorf“ der Debatte.

„Unerträglich!“ hatte damals der DGB Hamburg in einem Brief an Wrocklage die Geschehnisse vom 10. Juli genannt. Nicht nur, dass die Polizei den Neonazi-Aufmarsch durch ihre starke Präsenz durchgesetzt habe, versetzte den DGB in Rage. Mit „Unverständnis“ reagierte der Gewerkschaftsbund darauf, dass sämtliche antifaschistische Gegenproteste verboten worden waren – auch eine DGB-Kundgebung. Nach Gesprächen zwischen Wrocklage und Erhard Pumm, Hamburgs DGB-Chef und SPD-Bürgerschaftsabgeordneter, kommt nun die öffentliche Debatte vor Ort.

Verwaltungsjuristisch konnte die Innenbehörde eine Überprüfung ihres Demoverbots bislang verhindern. Mit der Begründung, so etwas „kommt nie wieder“, lehnte es die Polizei ab, den Widerspruch gegen das damalige Verbot „formell“ zu entscheiden. Somit konnte die Polizei eine Klage des Bergedorfer Bürgerschaftsabgeordneten Lutz Jobs (Regenbogen) vor dem Verwaltungsgericht abblocken. „Um ein Verfahren zu erzwingen, hätten wir langwierig durch alle Instanzen klagen müssen“, begründet Anwältin Renate Hartmann den Rückzieher.

Tatsächlich wiederholten sich die damaligen Ereignisse aber doch: So demonstrierten am 5. September erneut Neonazis unter Polizeischutz in Lohbrügge und am 27. November in Barmbek.

Strafrechtlich ist die Angelegenheit hingegen für Polizeipräsident Woydt und die Polizeiführung nicht erledigt. Aufgrund einer Anzeige des Elmshorner IG Metall-Chefs Uwe Zabel ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Strafvereitelung im Amt und hat derzeit mit Zeugenvernehmungen begonnen. In Anwesenheit Woydts war die Polizei damals nicht gegen das Tragen von Reichskriegsbannern, das Absingen des Horst-Wessel-Liedes und gegen das Brüllen der SS-Parolen vorgegangen. Wann das Verfahren abgeschlossen sein wird, kann Staatsanwaltschaftssprecher Rüdiger Bagger nicht sagen: „Die Ermittlungen laufen.“

DGB-Veranstaltung: Donnerstag, 16. Dezember, 18 Uhr, Stadtkulturzentrum LOLA, Lohbrügger Landstraße.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen