: Gentechnik soll Wälder retten
Schon in den nächsten Jahren werden die ersten genmanipulierten Bäume kommerziell angebaut. Über die Langzeitfolgen für die Umwelt ist nichts bekannt ■ Von Wolfgang Löhr
Wird über die grüne Gentechnik gestritten, dann ist zumeist von Nutzpflanzen die Rede, die zu Lebensmitteln verarbeitet werden, Soja beispielsweise oder Mais. Dabei haben die Pflanzenzüchter längst ein neues Kapitel in der grünen Gentechnologie eingeläutet, dass unsere Umwelt noch weitaus nachhaltiger verändern kann, als der derzeitige Anbau der meist einjährigen Nahrungspflanzen aus dem Genlabor: Weltweit würden in Versuchsreihen immer mehr Bäume aus genveränderten Samen angepflanzt, stellt der World Wide Fund for Nature (WWF) in der vor kurzem veröffentlichten Studie „GM technology in the forest sector“ (http://www.panda.org/forests4life/) fest. Bereits in zwei bis drei Jahren, so warnt die WWF-Expertin Rachel Asante Owusu, könnte mit dem kommerziellen Anbau von Gentech-Bäumen begonnen werden. Und das, obwohl über die Wechselwirkungen von Bäumen und der Umwelt noch viel weniger bekannt ist als bei Nahrungspflanzen.
Hinzu käme, so die WWF-Expertin, dass Bäume im Gegensatz zu Nahrungspflanzen für viele Jahre an einem Standort stehen. Über die Langzeitwirkung könne derzeit keine Aussage gemacht werden. Zu diesem Ergebnis kam auch eine internationale Expertenrunde, die auf Einladung des Umweltbundesamtes (UBA) Ende September in Berlin zu einem Fachgespräch über genmanipulierte Bäume zusammengekommen war. Obwohl die meisten Gentech-Bäume für den Plantagenbau gezüchtet würden, „ist eine Langzeitwirkung auf naturnahe Ökosysteme nicht auszuschließen“, fasst das UBA das Diskussionsergebnis zusammen.
Die Erfahrungen mit nicht heimischen Gehölzen zeigten, dass zwischen der Ersteinführung und einer unerwünschten Ausbreitung dieser Baumarten Zeiträume von durchschnittlich 150 Jahre lägen, berichtete Professor Ingo Kawarik von der TU Berlin. Kowarik schließt nicht aus, dass auch gentechnisch verändete Bäume zu Invasoren werden und große ökologische Schäden anrichten können.
Nach Angaben des UBA sind bisher weltweit rund 150 Freisetzungsexperimente mit so genannten „transgenen Gehölzen“ durchgeführt worden. Die Palette an gentechnisch erzeugten Eigenschaften bei Forst-, Obst- und Ziergehölzen sei „fast schon so breit ist wie bei landwirtschaftlichen Kulturpflanzen“.
Der WWF kommt allein bei den Bäumen auf 24 verschiedene Arten, die, ausgestattet mit neuen Genen, in den letzten Jahren im Freiland getestet wurden. Drei Viertel davon sind forstwirtschaftlich, also zur Holzproduktion, genutzte Arten. Rund 60 Prozent der Gentech-Bäume wurden in den USA und Kanada freigesetzt. In Europa ist Frankreich führend. Dort wurden unter anderem herbizid- und insektenresistente Pappeln freigesetzt. Und das französische Unternehmen Sanofi, das zu über 35 Prozent dem Mineralölkonzern Elf Aquitaine gehört, führte Versuche mit Kastanien durch, die gegen das Monsanto-Herbizid Round up widerstandsfähig gemacht worden waren.
In Deutschland gab es bisher nur eine Freisetzung mit Bäumen: In Großhansdorf, in der Nähe von Hamburg, pflanzten Mitarbeiter der Bundesanstalt Forst- und Landwirtschaft zwergwüchsige Aspen aus. Mit dem Versuch soll getestet werden, ob die gentechnische Veränderung auch bei mehrjährigen Pflanzen stabil bleibt. Dort zeigte sich auch, dass im Laufe des Versuchs bei etwa zwei Prozent der genmanipulierten Bäume die Ausprägung des neuen Merkmals ganz oder teilweise wieder verloren geht. Unter Sicherheitsaspekten könnte das fatale Folgen haben. Zum Beispiel könnten Bäume, die zur Unterdrückung der Blütenbildung gentechnisch sterilisiert worden sind, nach Jahren plötzlich wieder anfangen zu blühen und ihre Gene über Pollen verbreiten.
Sowohl die Daten des UBA als auch die Zusammenstellung des WWF sind vermutlich nicht vollständig. Es gibt kein weltweites Register, in dem alle gentechnischen Freisetzungsexperimente aufgeführt sind. Insbesondere weiß man sehr wenig darüber, ob und welche Pflanzen in den ärmeren Ländern schon ausgesetzt wurden.
So wird häufig davon berichtet, dass in China bereits auf riesigen Flächen genmanipulierte Soja und Baumwolle oder auch Tomaten angebaut werden. Halbwegs verlässlich Daten darüber gibt es jedoch nicht. China gehört neben Chile und Indonesien für die WWF-Expertin auch zu den Ländern, die vermutlich in den nächsten Jahren in den kommerziellen Anbau von Forstpflanzen einsteigen werden.
Ein in China angesiedeltes Forschungsvorhaben wurde auf der UBA-Tagung vorgestellt: Schon vor fünf Jahren pflanzten Mitarbeiter der Pekinger Forstakademie in der Nähe von Peking und im Norden der Provinz Xingjiang mehrere transgene Linien von Pappeln aus. Während die Gentech-Bäume auf dem Pekinger Versuchsgelände wegen eines Staßenbaus einige Zeit später abgholzt werden mussten, läuft der Langzeitversuch in Xingjiang immer noch. Die Bäume sollten mittels eines Giftsgens aus dem Bakterium Bacillus thuringiensis gegen Raupenfraß geschützt werden. Auch bei diesen Testbäumen traten unerwarte Veränderungen auf. Mit zunehmendem Alter der Ausgangsbäume konnten „nicht nur vergrößerte Blätter, sondern auch eine veränderte Struktur der Rinde beobachtet werden“, berichtete der Forstwissenschaftler Yifan Han von der Pekinger Akademie.
Deutlich wurde aber auch, dass die Probleme in den chinesischen Wäldern – ein großer Teil des Bestandes wird durch Insektenfraß vernichtet – hausgemacht sind. In China sind in den letzten Jahrzehnten rund 6,6 Millionen Hektar mit den schnell wachsenden Pappeln bepflanzt worden. Als Ausgangsmaterial dienten nur einige wenige Pappellinien. Diese genetische Monotonie macht die Pflanzungen erst recht anfällig für Krankheitserreger und Insektenbefall. Zu befürchten ist, dass China in dem vor kurzem angekündigten Programm für Wiederaufforstung den Fehler wiederholt, diesmal mit Gentech-Pappeln.
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