Unterm Strich:
In Starnberg hat man noch Träume. An klebrigen Vermarktungstiteln fehlt es auch nicht. „Zuckersüße Lyrik“ nennt der Autor und Verleger Anton Leitner aus Weßling sein jüngstes Papierprojekt, das „den Kaffeehausbesuch bereichern“ und „Lyrik millionenfach in den Alltag tragen“ soll. Für diese bessere Welt ließ er auf Zuckertütchen sinnliche Kurzgedichte drucken, die bundesweit in Cafés zum Heißgetränk gereicht werden sollen. Das kulinarische Erlebnis wird so zum intellektuellen auf gehobener Horoskopebene. Unter den Autoren der süßlichen Gedichte sind der Berliner Lyriker Lutz Rathenow, die Portugiesin Maria de Nazare Sanches und der Wiener Manfred Chobot, den uns dpa freundlicherweise zitiert: „Geboren als Sängerknabe / Gelebt als Lipizzaner / Gestorben als Hofrat“. Verewigt als Geschmacksbeilage.
Geschmackstechnisch umstritten ist auch die momentane künstlerische Arbeitswelle zur Verewigung Leni Riefenstahls. Nach diversen Ausstellungen bereiten nun zwei Hamburger Filmproduktionsfirmen einen Spielfilm über das Leben der Hoffotografin Hitlers vor. „Penthesileas Persilschein“ wolle die Karriere und das Werk der umstrittenen Regisseurin einer kritischen Würdigung unterziehen, teilten Studio 1 Filmproduktion und Rainer Kommerz Film & TV Produkte gestern mit. Das Drehbuch schreibt der Regisseur Gabor Altorjay, der sich mit seinen absurden und melodramatischen Komödien einen Namen gemacht hat. Für seine Arbeiten hat der Deutsch-Ungar eine Reihe von Preisen erhalten, zuletzt wurde er 1996 für das Werk „Punta Garde“ auf dem Filmfestival in Budapest mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet. Unterstützt wird Altorjay von dem Autor und Regisseur Wolfgang Büld; als Drehbeginn ist August kommenden Jahres anvisiert.
Mehr zum Thema Totgesagte leben länger: Rudi Carrell erreicht das Rentenalter nun auch auf dem Papier, will jedoch selbst nach seinem 65. Geburtstag am kommenden Sonntag am laufenden Band weiter moderieren. 1965 eroberte der Holländer den deutschen Schwarzweiß-Bildschirm, erreichte in den 70ern Einschaltquoten von bis zu 74 Prozent, sackte in den 80ern stark ab und startet nun sein persönliches Millenniumsprojekt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen