: Gegen Licht-Gigantomanie
■ Nobelpreisträger Grass protestiert gegen geplante Millenniums-Feier an der Siegessäule. Veranstalter „Art in Heaven“ legt überarbeitetes Konzept vor. Weniger Scheinwerfer geplant
Der Protest gegen das umstrittene Silvester-Spektakel an der Siegessäule nimmt neue Dimensionen an. Unter dem Motto „Zu viel Schatten auf diesem Licht“ verlangten gestern der Nobelpreisträger Günter Grass, sein Verleger Gerhard Steidl, die Schriftsteller Peter Rühmkorf und Johano Strasser, die Historiker Hans und Wolfgang Mommsen, die Publizistin Carola Stern, der Pfarrer Friedrich Schorlemmer und der Grafiker Klaus Staeck einen Verzicht auf die Veranstaltung. Sie rufe Assoziationen an die Inszenierungen des Hitler-Architekten Albert Speer hervor.
Die Lichtshow der Veranstalter „Art in Heaven“ ist nach Ansicht der Unterzeichner „das falsche Zeichen für Deutschland und Berlin“. In dem Appell heißt es: „Eine lebendige Demokratie verfügt über andere Symbole.“ Die Veranstalter übersähen die geschichtliche Symbolik: „Lichtdome und Fackelzüge sind pseudosakrale Massenrituale totalitärer Systeme“, schreiben die Kritiker. Die Lichtinszenierungen Speers seien keine „Fanale der Lebensfreude“, sondern „Vorboten von Terror und Vernichtung“ gewesen.
Der Baustadtrat von Tiergarten, Horst Porath, sagte gestern der taz, „Art in Heaven“ habe ein modifiziertes Konzept vorgelegt, das den Bedenken der Denkmalschützer Rechnung trage. Danach sollen oben auf der Siegessäule keine Scheinwerfer installiert werden, sondern nur auf den abgeschrägten Dächern, die den Säulengang am Sockel bedecken. Von 116 Strahlern blieben nur 70 übrig. „Dieses Konzept ist genehmigungsfähig“, sagte Porath. Weitere Scheinwerfer, die auf den Gehwegen rund um die Siegessäule montiert werden sollen, müssten nicht genehmigt werden.
Die Veranstalter „Art in Heaven“ betonten gestern erneut, dass ihre Installation nichts mit Albert Speers Propaganda zu tun habe. In ihrem überarbeiteten Konzept, das der taz vorliegt, heißt es, dass „es wichtig ist, dass sich das Licht vermischt und so keine starre Architektur entsteht (...) Die Siegesäule selbst wird dabei nicht angestrahlt, sondern in eine weiße Lichthülle gesetzt“. Weiter schreiben die Veranstalter im neuen Konzept: „Der Himmel wird mit monochromen Farben (weiß, rot, blau, grün) illuminiert. Der Höhepunkt und Abschluss besteht in einer Fusion des Feuerwerks mit den Lichtsystemen.“
Ob diese Überarbeitung für eine „inhaltliche Distanzierung von der NS-Ästhetik“ ausreicht, wie sie Bausenator Peter Strieder (SPD) und der oberste Berliner Denkmalschützer Helmut Engel gefordert hatten, war bis Redaktionsschluss unklar.
Strieder, Engel und Porath wollten sich gestern Abend mit den Veranstaltern zusammensetzen, um eine endgültige Lösung zu finden. Julia Naumann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen