Kolumne von Pampuch: Muss er draußen bleiben?
Was macht der freie Autor mit seinem Werkzeug, wenn er in den wohlverdienten Urlaub geht? Ist die Gewöhnung an das Notebook schon so groß, dass ihm das Herz schwer wird bei der Aussicht, sein Kistchen einfach zu Hause stehen zu lassen? Ist eine Woche in den Tiroler Bergen ohne Netz möglich? Kann und darf man seinen Computer fad und ungenutzt so lange allein auf dem verwaisten Schreibtisch lassen?
Natürlich kann man, natürlich darf man. Natürlich muss man. Doch ist mir angesichts meines bevorstehenden Kurzurlaubs aufgefallen, dass das Verhältnis zu meinem Notebook immer mehr die Züge eines Herr-und-Hund-Verhältnisses anzunehmen droht. Es ist mir in eineinhalb Jahren irgendwie ans Herz gewachsen. „Und was machen wir mit ihm?“, fragte ich meine Skipartnerin E. und deutete verstohlen auf meinen treuen Begleiter, der zufrieden brummend gerade an seinem Bildschirmschoner nagte. (E. nimmt ihr Kistchen übrigens ganz selbstverständlich mit: weil sie dann „endlich Zeit hat“ noch ein kleineres Werk zu vollenden.) „Den wirst du ja wohl eine Woche entbehren können!“, meinte sie. Meine Kiste muss also leider daheim bleiben. Dabei hat ihre nicht mal Internetanschluss. Genau darum geht es ja“, erklärte E. Arbeitsgerät: gut, gut. Gegen einen Kugelschreiber und einen Block habe sie ja auch nichts einzuwenden. Aber in den Bergen nun auch noch im Internet zu surfen, sei ja wohl das Letzte. Wo sie Recht hat, hat sie Recht. Dennoch gab es mir einen kleinen Stich. Gleichzeitig aber schämte ich mich dafür, einem Maschinchen gegenüber solche Gefühle zu haben.
Nun ist es nicht so, dass ich mit diesem merkwürdigen Syndrom – nennen wir es einmal Computeranimimus – allein stünde. Niemand, der länger mit einem Rechner zu tun hat, wird leugnen, dass er von dessen wie auch immer gearteten Beseeltheit nicht zutiefst überzeugt ist. Das beginnt mit den Millionen von Zwiegesprächen, die die Menschheit täglich mit ihren Computern führt. Sie werden angebrüllt und getätschelt, verflucht und umworben, verehrt und angespien. Man stellt sich gut mit ihnen, man weint sich bei Freunden über ihre Ungnädigkeit aus. Emotionen und Ängste bestimmen unser Verhältnis zu ihnen, kaum ein menschlicher Partner vermag uns innerlich so aufzuwühlen wie ein abweisender (oder schlimmer noch: abstürzender) Computer.
Eine klassische säkularisierte Form des Animismus ist die Verschoßhundisierung. Beim Computeranimismus dürfte dieser Prozess die am meisten verbreitete Form sein, mit den unerforschlichen Ratschlüssen unserer elektronischen Begleiter locker umzugehen. Notebooks sind eben wilde kleine Lauser, die Auslauf brauchen. Dafür aber können sie einen auch mit Stolz erfüllen. Und darum sieht man inzwischen überall die Besitzer der elektronischen Zamperl, wie sie mit ihren kleinen Freunden Gassi gehen. In Zügen, auf Flughäfen, in Kneipen und Restaurants, selbst im Englischen Garten auf der Nacktbadewiese (im Sommer jedenfalls) – kaum ein Ort, wo heute nicht irgendjemand auf einem Laptop rumhackt. Nächst dem Handy sind die summenden Flachmänner heimlich, still und leise zum Statussymbol kommunikativer Omnipräsenz geworden. Und machen fast so viel her wie ein schickes Afghanenpärchen oder ein Zwergpinscher.
Ich bin sicher, dass ich auch in irgendeiner Tiroler Skihütte ein Notebook sichten werde. Wie ich dann reagiere, weiß ich noch nicht. Könnte ja sein, dass es zutraulich mit der Bildschirmklappe wedelt. Dann werde ich wohl schwach werden und es ein wenig tätscheln.
Thomas Pampuch
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