piwik no script img

Lachen ist politisch

■ Helmut Baumann hat schon mit Kresnik getanzt und das Theater des Westens geleitet. Jetzt inszeniert er das Musical „La Cage aux Folles“ am Bremer Theater

Am Samstag hat eines der erfolgreichsten Musicals der achtziger Jahre Premiere im Theater am Goetheplatz. „La Cage aux Folles“ – ein Käfig voller Narren – von Jerry Herrman und Harvey Fierstein. Das 1983 am Boadway uraufgeführte Stück wird von Helmut Baumann inszeniert, der auch die Haupt-/Doppelrolle des Albin/Zaza spielt. Helmut Baumann, einer der großen Tänzer der sechziger Jahre, Mitbegründer des Tanzforum Köln, Choreograph, Schauspielregisseur und zuletzt zehn Jahre Intendant am Theater des Westens in Berlin. Er schilderte der taz seine bemerkenswerte Meinung über die Produktion und den Sinn von Musicals.

taz: Bevor wir über „La Cage aux Folles“ sprechen, interessiert mich Ihre künstlerische Entwicklung vom Tänzer zum Choreographen, zum Regisseur, zum Schauspieler.

Helmut Baumann: Ich habe schon als Sechsjähriger im Domchor gesungen und mit acht getanzt. Ab zehn war ich dann Eleve – das gab es damals! – an der Hamburgischen Staatsoper. Das hieß morgens Training, nachmittags Ausbildung und abends Vorstellung. Beim Tanzen war mir von Anfang an klar, das kann nicht dauern, deswegen habe ich auch gleich Schauspielunterricht genommen. Stark beeinflusst von den 68er Jahren habe ich dann mit Kresnik, Pina Bausch und anderen das Tanzfo-rum Köln gegründet und angefangen zu inszenieren: Ich bin einfach neugierig und bewege mich immer zum nächsten Ziel.

Wie sind Sie denn beim Musical gelandet?

Ich will das Singen, den Spaß, die Unterhaltung, die Komödie. Nichts ist wichtiger als das Lachen, das wussten schon die Griechen ...

... und in Ecos „Name der Rose“ muss das Lachen verboten werden ...

Genau. Ich verstehe es als eine politische Kategorie.

Die Erfolgswellen der Musicalbewegung ebben ab. Wie beurteilen denn Sie diese Entwicklung?

Also für mich ist das Muscial ganz klar Musiktheater und nicht Event. Das heißt, wenn Stücke sich unabhängig vom Zeitgeist als repertoirefähig erweisen, gehören sie ins Theater. Das kommerzielle schnelle Hochziehen von Musical-theatern mit Stücken wie „Cats“ und „Starlight-Express“ ist etwas ganz anderes. Das ist touristisch vermarktbares High-Tech, das gibt dem Zuschauer das Gefühl, dass er so was noch nie gesehen hat. Das langweilt mich zutiefst. Sie haben eben das Zurückgehen angesprochen: Im Rahmen der touristischen Aktivitäten ist das ja o.k., aber es ist viel zu groß und viel zu viel geworden. Wir brauchen nur ein Drittel davon. Die Quittung hat man jetzt.

Es geht in „La Cage aux Folles“ um ein homosexuelles Paar und einen Seitensprungsohn, um einen Nachtclub und um eine Travestieshow. Der Sohn verliebt sich in die Tochter eines Mannes, der der Vorstand der Partei für Familie, Tradition und Moral ist. Sie haben die Uraufführung 1983 am Broadway gesehen: Wie hat das prüde Amerika darauf reagiert?

Ganz erstaunlich. Das war pompös und total unlebendig inszeniert. Die Herren standen sich in einem großen Abstand gegenüber.

Nachdem aber 1999 alles „Anstößige“ wegfällt, auch gegenüber der Aufführung, die Sie 1985 in Berlin gemacht haben, was bleibt denn von der Geschichte?

Die Geschichte ist ein Appell an die Toleranz, und das ist nach wie vor ein unerledigtes Thema. Es ist zudem eine schöne Familiengeschichte voller Binsenweisheiten über ein normales Leben. Die Petersilie ist das Milieu.

Sie haben die Rolle in verschiedenen Inszenierungen über 500-mal gespielt. Was hält Sie als Regisseur und als Spieler an dieser Rolle?

Keineswegs der Erfolg. Mich reizt, dass man in dieser Rolle alt werden kann. Als ich sie zum ersten Mal spielte, war ich 45, viel zu jung, um über Lebens- und Partnerkrise zu reden, was ja für das alte Paar ein wichtiges Thema ist. Heute ist das viel mehr meine eigene Situation, ich kann ganz andere Akzente setzen.

Erfasst das auch das Textbuch?

Ja. Wir haben damals Texte herausgeschmissen, die wir nun wieder hineingenommen haben. Es ist ganz einfach ein unglaublich gutes Stück, vergleichbar mit „West Side Story“, „My fair Lady“, „Anatevka“ oder auch „Cabaret“.

Gibt es Besetzungsprobleme, wenn Sie Musical im traditionellen Spartentheater spielen?

Sicher. Die ganze Besetzung ist bis auf wenige Ausnahmen nicht aus dem Ensemble. Es ist gut, dass der Intendant Klaus Pierwoß weiß, dass das Musical eine eigene Sparte ist und eigene Kräfte braucht.

Wie geht es Ihnen mit dem Wechsel vom Regiepult zur Bühne?

Das hat nur mit diesem Stück zu tun. Ich musste damals einspringen und dabei ist es geblieben.

Fragen: Ute Schalz-Laurenze

Premiere: 18. Dezember, 19.30 Uhr, Theater am Goetheplatz. Weitere Termine: 21. u. 26. Dezember

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen