piwik no script img

Kein Ende mit Schrecken

Wie sich Paare ohne harte Anwaltsgefechte scheiden können: Die Mediation bietet außergerichtliche Trennungshilfe an  ■ Von Katja Ubben

In den USA halten Priester auf Wunsch zeremonielle Scheidungsabende ab. In Holland entstehen Wohnhäuser mit getrennten Elterntrakten für entzweite Paare. Und in Deutschland tut sich jetzt auch etwas: Hier drängen mehr und mehr aus den Vereinigten Staaten importierte Scheidungsvermittler auf den Markt. Sie bieten „Mediation“ an – eine Methode, die Trennung nicht mehr per streitigem Gerichtsverfahren, sondern durch eine private Einigung per Moderation erreicht.

Doch so hoffnungsfroh diese neue psychologische Entdeckung auch klingen mag: Sie hat Haken. Das von immer mehr Familientherapeuten und Rechtsanwälten übernommene Verfahren kann derzeit in Deutschland noch jeder ausüben, der mag: „Die Berufsbezeichung ist nicht geschützt“, betont Jens Jansson aus der Geschäftsstelle der Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation (BAFM) in Marburg, die sich derzeit als einziger Zusammenschluss für verbindliche Qualitätsstandards stark macht.

Und das ist auch bitter nötig, meint die Diplom-Psychologin Iris Virkus. Sie leitet den BAFM-Arbeitskreis für Bremen und das Umland – und klagt wegen stetig neuer Ausbildungszentren und Anbieter über den „gesetzeslosen Zustand.“ Die BAFM bietet deshalb eine eigene „fundierte“ Ausbildung zum Mediator an – und verpflichtet ihre Mitglieder mit strengen Aufnahmekritierien, die gemeinsam erarbeiteten Richtlinien auch strikt einzuhalten. „Denn unser Hauptziel ist: Wir wollen juristisch einwandfrei sein.“

Kein Wunder, greift die Mediation doch in komplizierte juristische Verfahren ein. Gemeinsame Immobilien oder das Sorgerecht für die Kinder wollen verteilt und viele andere streitige Dinge geklärt werden. In gemeinsamen Sitzungen versuchen die Mediatoren, diese Probleme samt anhängendem Gefühlschaos der Paare zu moderieren – und so Schritt für Schritt konkrete Vereinbarungen zum Beispiel über Unterhaltszahlungen oder das Sorgerecht zu erzielen. Verlierer oder Gewinner – wie beim streitigen Gerichtsverfahren samt Maximalforderungen des jeweils gegnerischen Anwalts – gibt es bei der Mediation nicht: Dort erarbeitet das Paar für sich selbst eine Lösung, mit der beide leben können.

„Aber genau diesen Prozess müssen beide Partner informiert durchlaufen“, sagt die Familienrichterin Sabine Heinke. Jeder sollte daher einen eigenen Anwalt an der Hand haben, um die Vereinbarung noch vor der Unterzeichung überprüfen zu lassen – eine „Fairnesskontrolle“, die die Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation seinen Mitgliedern auch dringend anrät. Denn Familientherapeuten oder Psychologen seien eben keine Rechtsberater – und außerdem wolle man ja auch den Rechtsanwälten ausdrücklich „keine Konkurrenz“ machen.

Dabei tummeln die sich mittlerweile auch auf dem neuen Feld – und bieten als fortgebildete Mediatoren ihre Dienste an, nach zum Teil jahrelanger Tätigkeit als Scheidungsanwalt. Rechtsanwalt Jochen Rempe zum Beispiel arbeitete 15 Jahre als „klassischer Scheidungsanwalt“ – bis er von der Mediation erfuhr: „Da ging es mir auf wie die Osram-Glühbirne.“ Mittlerweile hat der Hamburger in Oldenburg und Bremen den „mediatoren-verbund nord“ gegründet – und bietet Mediation gemeinsam mit Psychologen an.

Die jedoch folgt wiederum einem anderen Konzept: Jurist und Psychologe sitzen dabei gemeinsam mit dem Paar in der Mediation – und geben dabei sowohl juristische als auch psychologische Anleitung. Auf die Fairnesskontrolle durch eigene Anwälte vor Vertragsunterzeichung weise man die zu Beratenden auch nach den BAFM-Richtlinien ausdrücklich hin, versichert Rechtanwalt Rempe. Man mache allerdings schon während der Mediation auf Rechtslagen und Folgen von Vereinbarungen für den einzelnen aufmerksam. Und so sei die Mediation schlicht „kosten-günstiger“, wirbt der „mediatoren-verbund nord“. Die Kosten für zwei Anwälte entfielen ja, da halbiere sich fast der zu zahlende Preis für die gemeinsame Scheidung.

Eine Rechnung, die man im Gericht so nicht aufmacht. Familienrichterin Sabine Heinke, die ebenfalls eine Mediationsausbildung hinter sich hat, bleibt auf dem Standpunkt: Ohne anwaltliche Gegenkontrolle sollte keiner eine Unterschrift leisten. „Jeder von beiden sollte anwaltlich vertreten sein.“ Deshalb bleibe das Mediations-Verfahren gleichwohl teuer – bei Kos-ten von Sitzungsstunden von bis zu 250 Mark. Mediationen seien daher bislang „selten“, berichtet sie. Und weil viele Scheidungswillige ohnehin auf staatliche Prozesskostenhilfe angewiesen seien, weil sie sich „ihr eigenes Verfahren gar nicht leisten“ können, käme Mediation wohl mehr für Menschen mit größerem Geldbeutel in Frage.

Im Großraum Hamburg gibt es weit über 20 Mediatoren, die Mitglieder im BAFM sind oder eine ordentliche Mitgliedschaft anstreben. Informationen bei der BAFM, Tel.: 064 21-250 96 (Mo, Di, Do, Fr 10 – 18 Uhr); Fax: -159 89; Internet: http://home.t-online.de/home/hesse-boddin/bafm.htm

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen