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Gedanken vom süßen Leben

■ Zentrifugal ist der Stolz von Bremens HipHop-Kultur – und abgewandert. Morgen kehren sie zurück zur CD-Release-Party

Dass Zentrifugal aus den Straßenschluch-ten Bremens seit einer Weile in Weimar residieren, hat einen ganz profanen Grund. Kein Goethe, kein Schiller und auch keine Kulturhauptstadt hat Bastian Böttcher und Loris Negro in den Osten gelockt, sondern die ZVS sorgte per „Kinderlandverschickung“, wie Böttcher es ausdrückt, für den Umzug. Goethe ist allerdings nicht so leicht zu entkommen. Das nach ihm benannte Institut jedenfalls erkannte bald, dass Bastian Böttcher ein Talent ist, wie es nicht alle Tage vorkommt. Die Slam Poetry-Szene hat er mit kunstvoll formulierten Raps nachhaltig aufgemischt, er darf sich Meister in dieser 'Disziplin' nennen, und sogar im Mutterland der Slams wurde er willkommen geheißen.

„Die Rap-Szene in den USA ist sehr offen für Spoken-Word-Aktivitäten. Da ist es gang und gäbe, dass man auch mal Spoken-Word-Auftritte macht, wie zum Beispiel im Nuyorican-Poets-Café.“

In jener legendären New Yorker Institution stand Bastian Böttcher selbst schon auf der Bühne. Deutsche Lyrik vor einem fremdsprachigen Publikum kann anscheinend funktionieren. Und auf einem Festival in San Francisco konnte er sogar den Dichter und Beat-Verleger (u.a. Burroughs und Ginsberg) Lawrence Ferlinghetti überzeugen. Ferlinghetti wählte einen Text von Böttcher für eine Anthologie aus, die in seinem Verlag 'City Lights Books' erscheint.

Es dürfte mit der ausgeprägten Musikalität seiner Verse zu tun haben, die aufgrund ihrer stilistischen Dichte, Alliterationen, Binnenreime, Vokalwechsel und einer vielfältigen Rhythmik schon auf einer rein klanglichen Ebene funktionieren. Zentrifugal allerdings auf Bastian Böttcher zu reduzieren, wäre ein großer Fehler. Denn auch auf der musikalischen Ebene sind die Stücke auf 'Tat oder Wahrheit', dem neuen, zweiten Album, dessen Veröffentlichung heute gefeiert wird, reich und außergewöhnlich. Smoothe Jazz-Vibes, elegante Breakbeats und Schnipsel aus den Hörspielplatten der siebziger Jahre, einschließlich ihres Knisterns und Knackens, verknüpft er mit swingenden Beats. Auf dem Cover-Photo von 'Tat oder Wahrheit' hat DJ Loris das Cover von Linda Ronstadts 'Greatest Hits' neben seinem Plattenspieler liegen. Genau wie in den Worten: keine Tough-Guy-Posen. „Alle Gedanken kreisen meistens ums süße Leben“, eben nicht um ein irgendwie geartetes Ghetto.

Oder sie kreisen um die Nutzbarmachung neuer Technologien, wie in 'Computec'. „Ich habe auch einen Hypertext-Rap geschrieben, der sich verzweigt, und bei dem die LeserInnen selbst die Weichen stellen können,“ erzählt Böttcher. Zu finden im Netz unter <www.zentrifugal.de>. So findet das Studium dann doch noch zur Kunst, wie der Rapper zum Goethe, dem Böttcher mit 'Faust geballt' inklusive einiger Zeilen aus dem 'Faust' noch ein Lied widmet. „Du kannst mich – Faust nennen!/Ich komm geballt. Und dann lernst du mich mal kennen!“

Könnt ihr dann am Sonntag tun. Zur Feier des Tages werden sich zu Bastian und Loris noch ein paar Gäste gesellen, die auch schon auf 'Tat oder Wahrheit' zu hören sind. Flowin' Immo, Florine, Glanz und White Like XNO sowie als Support Rusty und Flow haben ihr Erscheinen angekündigt. Andreas Schnell

Zentrifugal feiert die neue CD „Tat oder Wahrheit“ am Sonnta, 20 Uhr, im Moments

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