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„suaM eid kcürd hcI“

Flamencointros, Lindenbergnuscheleien und Warnungen vor der Schmuddeloma: Helge Schneider spielt mit seiner Band Hardcore im BKA-Luftschloß – schon fühlt man sich wieder zu Hause in der Welt ■ Von Detlef Kuhlbrodt

Es ist Winter, und Helge Schneider ist wieder in der Stadt. Wie so oft, seitdem er als „singende Herrentorte“ Anfang der 90er-Jahre in größeren Kreisen berühmt und bekannt wurde, spielt er auch in diesem Jahr den ganzen Dezember über im Luftschloß des BKA, das er in „Helgemakkss“ umbenennen ließ, weil ihm der andere Name zu bescheuert zu klingen schien. So wird es am Ende ein guter Dezember und ein schöner Abschied gewesen sein von „einem der lustigsten Jahrtausende, die wir je hatten“ mit Helge Schneider und seiner kleinen alten Band Hardcore unter dem Motto: „Come with me in the year 2000 (‚nich so laut Peter‘)“.

Im Sommer war Helga Maria Schneiders unterhaltender Roman „Eiersalat“ (KiWi) erschienen – nicht so gut zwar, wie etwa „Zieh dich aus, du alte Hippe“, aber dennoch sehr gut. Als es noch warm war – war der Sommer eigentlich warm gewesen und wann war das? –, hatte Schneider als seltsam klasse aussehender Rocker mit den „Firefuckers“ auf der Waldbühne gestanden und die Konzerttournee dann später wegen Ohrenschmerzen abgebrochen, weil es im Fernsehen dann doch wohl besser ausgesehen hatte – und es sah super aus! – als es in den Open-Air-Bühnen in Wirklichkeit kam.

Nach dem Tod von Heiner Müller ist Helge Schneider die angenehmste öffentliche Erscheinung. Einige Leute im Helgemakss am Donnerstag sehen so aus, als hätte es das Leben bislang nicht so gut mit ihnen gemeint, andere wirken wie die, die sich später in der Nacht bei Bärbel Schäfer so zombiemäßig streiten. Eigentlich ist jedoch alles gemischt. Leute, die ununterbrochen kichern, wenn Helge Schneider seine kleinen Späße macht und lustige Lieder singt, sind bestimmt gute Menschen. Das junge Mädchen an der Bar neben der Bühne wurde ganz rot im Gesicht, als Helge Schneider sich ein Bier von der „Puppe“ auf die Bühne bringen ließ, und klatschte später begeistert um Zugaben, obgleich sie ihn schon fünfmal hier gesehen hatte. Seit mehr als zehn Jahren sagt einem jeder, dem man erzählt, man gehe zu Helge Schneider, dass der ja auch sehr musikalisch sei, als sei das eine neue Erkenntnis.

Grad war er noch krank und hatte zwei Auftritte absagen müssen, nun stand er schon wieder auf der Bühne. Es ist ja so: Man fühlt sich vielleicht schlecht, dann kommt Helge Schneider, spielt das lustig flamencohafte Intro von „Musik, Musik, Musik“ auf der Gitarre und läßt es ganz souverän in „Sunny“ übergehen. Sein Gesicht sieht so klasse aus und er rennt viel auf der Bühne rum, trägt dabei eine schöne Brille und einen Schlapphut und macht Lindenberg als Running Gag en passant immer wieder nach. Wobei das auch wieder so klingt, als wären die zum Um-den-Block-Ziehen auffordernden Nuscheleien, die gewesen, die der Deutschrocker tatsächlich mal hinter der Bühne so kumplig von oben herab abgedreht zu Helge gesagt hatte. Spaß muss sein – schon fühlt man sich wieder zu Hause in der Welt. Toll, dass auch Buddy Casino und Peter Thoms wieder dabei sind! Als Zugabe spielt Schneider „Musik“ ganz aus: „Musik ist unser Freund. Sie lässt uns nicht im Stich!“ Dazwischen: alte Hits in neuen Variationen – „Mutter“, „Meisenmann“, „Rätsel“ („richtig, richtig, richtig popichtig“), „Ich drück die Maus“ (auch umgekehrt gesungen, also: „suaM eid kcürd hcI“), „Katzeklo“ natürlich, in einer ganz besonders schön ausufernden Version, in der es irgendwann um eine Katzen- bzw. Schmuddeloma geht, die so groß ist, wie die Leute früher mal waren – also 1,10 – und Katzenfutter kaufen möchte für 89 Pfennig: „Spiel nicht mit der Schmuddeloma, trag nicht ihre Mieder“.

Das schöne neue Lied „Kartenspiel“ besteht aus ca. 60 surreal aneinander gereihten Schlager-Zitaten inklusive Udo Jürgens und Heintje. Irgendwann gegen Ende singt Helge Schneider zwei Sätze aus dem „Erziehung“-Gag von der „Es rappelt im Karton“-Platte als Slow-Blues. Immer wieder: „Herr Alexander Tetzlaff! – Ja bitte? – Zum Millenniumsfest am Brandenburger Tor tritt Udo Lindenberg zusammen mit ...“ – Pause, überleg, überleg – ein Zuschauer ruft natürlich „Helge“ – „Augenthaler auf. Genannt Auge.“ Die Komik ist schwer dem zu erklären, der sie nicht unmittelbar kichernd versteht. „Es ist ja nur Spaß“ und Berlin ist die Stadt, „die immer eine Baustelle der Vernunft sein wird!“Helge Schneider und Hardcore, noch bis zum 31. 12. im Luftschloß des BKA, Schloßplatz.

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