: Denkmal mit Knebelvertrag
Von Bürgern, Burgern und Büchern: Denkmalschutz und Einzelhandel fordern eine kulturelle Nutzung des Schumacher-Tempels ■ Von Ulrike Bals
Weihnachtsdekorationen glitzern in den Schaufenstern. Ein nicht enden wollender Strom Menschen wälzt sich durch die Einkaufsmeile der Hamburger City. Wer in der Mönckebergstraße stehen bleibt, braucht einen guten Grund, wie etwa der junge Mann, der mit dem Pappbecher in der Hand auf dem Asphalt kauert. Wahrlich, dies ist kein Ort, der zum Verweilen einlädt. Und selbst das kleine, tempelartige Haus am Mönckebergbrunnen, dessen Architektur unmissverständlich Besinnung signalisiert, haben längst die Fluten des Kommerzes ausgehöhlt. In der ehemaligen Zentralbücherei der Hamburger Bücherhallen profitiert schon seit drei Jahrzehnten ein Schnellimbiss vom kleinen Hunger zwischendurch.
Ein Zustand, der Städtebauern und Denkmalschützern seit der Verpachtung 1971 durch die Finanzbehörde als Eigentümerin schwer im Magen liegt. Dass es ihm nicht gelungen ist, diese Nutzungsänderung rückgängig zu machen, betrachtet der damalige Denkmalpfleger Prof. Dr. Manfred Fischer als größte Niederlage seiner Amtszeit: „Ich rechne es zu den kulturellen Schandtaten, dass dieses Gebäude, dessen Wichtigkeit für die gesamte Mönckebergstraße nicht überschätzt werden kann, noch heute als Filiale einer Fastfood-Kette genutzt wird.“ Doch mit dem 1913 nach Entwürfen von Altbaumeister Fritz Schumacher errichteten Bauwerk hat die Stadt eine wahre Goldgrube aufgetan. Laut Angaben der Welt sollen es monatlich rund 40.000 Mark sein, die der Fritten-Tempel in die Hamburger Kassen spült. Wen wundert es da, wenn die Finanzbehörde einer kulturellen Nutzung mit entschiedener Skepsis begegnet.
„Ähnliche Einnahmen werden sich mit Kultur kaum erzielen lassen“, muss auch der Vorsitzende der Fritz-Schumacher-Gesellschaft, Dr. -Ing. Klaus-Dieter Ebert, einräumen.
Die zur „Förderung der Baukultur“ gegründete Vereinigung moniert insbesondere den nutzungsbedingten „Verlust der architektonischen und kulturellen Einheit“. Gebäude, Denkmal und Brunnen seien ein einzigartiges Gesamtkunstwerk,bei dem schon bei der Planung an eine kulturelle Belegung gedacht worden sei.
Deshalb verlangte die Bürgerschaft auch 1913 vom Hamburger Senat, den ganzen Platz im Staatsbesitz zu behalten, um eine dauerhafte „angemessene Verwendung des Bauwerks“ zu gewährleisten – mit dem Wunsch, Raum für die Öffentliche Bücherhalle und den Verein zur Förderung des Fremdenverkehrs zu garantiren.
Bereits 1971 hat Ebert in seiner damaligen Funktion als Erster Baudirektor für Städtebau in Hamburg versucht, die Vermietung an den Schnellimbiss zu verhindern. Bis auf Senatsebene sei er an die Entscheidungsträger herangegangen, „und musste mir sagen lassen, dass Städtebauer auch lernen müssten, wirtschaftlich zu denken“. Jetzt hat er als Vorsitzender der Fritz-Schumacher-Gesellschaft seine alte Forderung bei der diesjährigen Kulturbörse der Handelskammer erneuert – und offene Türen eingerannt.
So war die Umnutzung des Gebäudes bereits 1998 Gegenstand eines Petitums der SPD- und GAL-Fraktionen zum Thema „Chancen für den Hamburger Einzelhandel“. Auch der CDU-Abgeordnete Wolfgang Drews hat jüngst an den Senat eine diesbezügliche Anfrage gerichtet – und sich über die knappe Antwort der Finanzbehörde gewundert. Daran, „dass einem Gebäude von solch bedeutungsvoller Architektur und städtebaulicher Positionierung auch eine angemessene Zweckbestimmung zugeführt werden sollte“, hat der Senatsdirektor der Kulturbehörde und Vorsitzende der Stiftung Denkmalpflege, Dr. Volker Plagemann, ohnehin keinen Zweifel. Und auch der Bezirksamtsleiter Mitte, Rolf Miller, und Oberbürgermeister Ortwin Runde bestätigten Ebert in einem Schreiben, dass eine kulturnahe Nutzung der ehemaligen Bücherhalle für die Belebung und angestrebte Funktionsmischung der City wünschenswert sei.
Selbst der Hamburger Einzelhandel stimmt in den Kanon ein. Die Monogestaltung der Mönckebergstraße müsse aufgehoben werden, meint Michael Jacobs, Unternehmenssprecher des Schuhhauses Görtz. Eine neue Bücherhalle am Mönckebergbrunnen findet er sinnvoll, doch zur abendlichen Belebung des Viertels könne eine solche Nutzung „nicht viel wuppen“. Da müsse man schon ganzheitlich etwas anregen, mehr Signale setzen und auch Wohnraum schaffen.
Ulf Kalkmann vom Fachverband der Einzelhändler (FAE) schlägt dagegen die Einrichtung einer öffentlichen Dienstleistungszentrale vor – als Eingliederungsmaßnahme für Arbeitslose. Die zunehmende Gesichtslosigkeit der City ist jedoch bei weitem kein Hansestadt-Phänomen. Große Kaufhausketten und Filialisten haben sich in den deutschen Fußgängerzonen bis zur Unkenntlichkeit reproduziert – und sich mit flächengreifenden Suburb-Zweigstellen selbst kannibalisiert.
Struktureller Wandel scheint noch immer, trotz vielseitiger Einsichten, ebenso weit entfernt wie eine Nutzungsänderung des Schumacher-Tempels. Der bestehende Mietvertrag läuft zwar im Dezember 2002 aus, doch besitzt der derzeitige Pächter eine einseitige Verlängerungsoption um weitere fünf Jahre. Bis dahin will Ebert jedoch ein handfestes Konzept parat haben, „damit 2007 auch wirklich Schluss ist“.
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