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Vom hohen Senatsross runtersteigen

■ Kommission zur Arbeit der Bürgerschaft macht viele Verbesserungsvorschläge

Mit einer tiefgründigen Analyse parlamentarischer Arbeit im Bundesland Hamburg und weitreichenden Verbesserungsvorschlägen wartete gestern eine unabhängige Kommission auf. Sie empfiehlt unter anderem die Einführung von Wahlkreisen und Direktmandaten bei Bürgerschaftswahlen, den zumindest teilweisen Abschied vom „Feierabendparlament“, eine Verkleinerung der Bürgerschaft und dem Senat „ein parlamentsfreundlicheres Verhalten“.

Die fünfköpfige ehrenamtliche „Kommission zum Status der Abgeordneten der Bürgerschaft“ unter Leitung des früheren Landesrechnungshof-Präsidenten Hermann Granzow war 1997 von Parlamentspräsidentin Ute Pape (SPD) berufen worden. Die Mitglieder führten unter anderem eine Befragung aller 121 ParlamentarierInnen durch. Ihre Erkenntnisse und Empfehlungen füllen einen 50-seitigen Bericht, der gestern offiziell vorgestellt wurde.

„Mit Priorität“, so Granzow, sollten in Hamburg Wahlkreise eingerichtet werden. Es würde zu einer „größeren Unabhängigkeit von den Parteien“ sowie „zu mehr Bürgernähe und weniger Anonymität der Abgeordneten“ führen, wenn diese sich den WählerInnen persönlich stellen müssten. Bislang stehen in Hamburg lediglich von den Parteien aufgestellte Landeslisten zur Wahl. Auf eine exakte Anzahl von Wahlkreisen wollte sich die Kommission nicht festlegen. Granzow verwies auf Vorschläge einer Wahlkreiskommission von 1996, die drei Modelle mit 42, 50 und 57 Wahlkreisen vorgelegt hatte.

Zudem hält die Kommission eine Verkleinerung der Bürgerschaft für möglich, ohne eine konkrete Zahl zu nennen. Hamburg habe im Bundesvergleich „ein relativ großes Landesparlament“. Die Reduzierung könne nicht zuletzt durch ein „Optionsmodell“ erreicht werden. Danach sollten Abgeordnete, die Vollzeit-Parlamentarier werden möchten, höhere Diäten von „brutto 7000 bis 9000 Mark“ erhalten; wer berufstätig bleiben wolle, erhielte weiter die jetzigen Diäten von 4080 Mark brutto.

Nachdrücklich plädiert die Kommission für „eine Unvereinbarkeit von Amt und Mandat“ zumindest bei höheren Funktionen des öffentlichen Dienstes. Zur Zeit sind 24 Abgeordnete als Angestellte oder Beamte in Behörden, öffentlichen Unternehmen oder Parteien tätig. Eine „zentrale Aufgabe“ sei es, „das Gefälle“ zwischen Senat und Parlament zu beseitigen. Die in Hamburg traditionelle Machtarroganz von Regierungsmitgliedern gegenüber dem Parlament müsse „abgebaut“ werden. Sie sollten, so Granzow, „von ihrem hohen Ross runterkommen“.

Sämtliche Fraktionen sowie Senatssprecher Ludwig Rademacher behaupteten gestern, sie fänden die Kommissionsempfehlungen „interessant, konstruktiv, bedenkenswert“ und ähnliches. In den Debatten des Verfassungsausschusses, dem der Bericht zugeleitet wird, dürfte sich zeigen, wie ernst diese Beteuerungen zu nehmen sind.

Sven-Michael Veit

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