: Moskau spricht von Lüge
■ Russische Streitkräfte dementieren Berichte über ein Massaker in Tschetschenien. Militär will Vorstoß auf Grosny nicht forcieren
Moskau (dpa/rtr/epd) – Die russischen Streitkräfte haben Berichte über die Tötung von 41 Zivilisten in dem tschetschenischen Dorf Alchan-Jurt durch Soldaten zurückgewiesen. Es handele sich um eine Lüge, meldeten die russischen Nachrichtenagenturen am Montagabend unter Berufung auf das Hauptquartier der russischen Kaukasus-Streitkräfte im nordossetischen Mosdok.
Der britische Sender BBC hatte berichtet, nach der Einnahme von Alchan-Jurt durch russische Truppen seien 41 Zivilisten von Soldaten getötet worden. Nach Angaben von Überlebenden hätten Soldaten in dem Ort nahe der Hauptstadt Grosny Granaten in Keller geworfen, obwohl sie wussten, dass sich dort Zivilisten aufhielten, meldete die BBC am Montag. Die Taten seien in den ersten beiden Dezemberwochen verübt worden. Russische Truppen hatten Alchan-Jurt Anfang Dezember erobert. Flüchtlinge berichteten, sie seien dazu gezwungen worden, die Leichen zu verbrennen, um Beweise für das Massaker zu beseitigen. BBC berief sich auch auf den mit der russischen Führung kooperierenden tschetschenischen Geschäftsmann Malik Saidulajew. „Sie töteten Menschen, sie plünderten Häuser“, sagte Saidulajew. „Es waren überwiegend Söldner auf der russischen Seite.“
Saidulajew soll im Auftrag Moskaus eine prorussische Führung in der abtrünnigen Kaukasus-Republik aufbauen. Leibwächter Saidulajews nahmen den Angaben zufolge einen russischen Oberst und dessen Stellvertreter als mutmaßliche Verantwortliche der Übergriffe fest und übergaben sie den russischen Behörden.
Die Angaben der BBC bestätigen entsprechende Informationen der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Nach einem Bericht von amnesty international, der heute in London vorgestellt wird, greifen die russischen Streitkräfte in Tschetschenien willkürlich Männer, Frauen und Kinder an. Als verdächtig geltende Zivilisten würden darüber hinaus in Lager gesperrt. Die Menschenrechtsorganisation wirft Russland außerdem vor, tschetschenische Zivilisten in Moskau zu verfolgen.
Das russische Verteidigungsministerium und die Streitkräfte wiesen Berichte über die geplante Einnahme Grosnys schon in den kommenden Tagen zurück. Es sei nicht notwendig, den Vorstoß zu forcieren, sagte der Kommandierende der Kaukasus-Streitkräfte, Wiktor Kasanzew, gestern. Das Militär wolle keine unnötig hohen Verluste unter den Soldaten. Die Beendigung der „Anti-Terror-Operation“ im Kaukasus sei aber nur noch eine Frage der Zeit, sagte Kasanzew nach Angaben der Nachrichtenagentur Itar-Tass.
Die Kämpfe zwischen russischen Truppen und radikalen Islamisten konzentrierten sich gestern auf die Kontrolle zweier Hauptverbindungsstraßen in den Gebirgsregionen südlich von Grosny. Dort hatte die Truppen am Montag eine neue Front eröffnet. Die Region ist ein wichtiges Aufmarsch- und Rückzugsgebiet der Rebellen.
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