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Zeit genutzt ■ Bewag hat Stromblockade nicht mehr nötig
Zwischen den Jahren – das ist die Zeit, die Geschehnisse des vergangenen Jahres zu reflektieren und nach vorn zu schauen. Auch die Bewag hat sich offenbar diese Tradition zu eigen gemacht und im Konflikt um die Durchleitung von Fremdstrom nach Westberlin einen Teilrückzug vor dem Kammergericht angetreten. Das ist unternehmenspolitisch sinnvoll, denn die Zukunft des Stromversorgers entscheidet sich nicht vor Gericht, sondern auf dem Markt: in der Hauptstadt und bundesweit.
Zur Erinnerung: Im September hatte das Bundeskartellamt der Bewag auferlegt, ihren Konkurrenten den Zugang zum Berliner Netz zu ermöglichen. Gegen die Kartellamtsverfügung hatte sich die Bewag noch mit Händen und Füßen gewehrt. Ihre Begründung: Das bislang einzige Verbindungskabel ins westdeutsche Hochspannungsnetz werde bei einer Durchleitung von Fremdstrom überlastet, die Stromversorgung Berlins somit gefährdet. In der Sache muss das Gericht noch entscheiden. Dennoch hat die Bewag nun den Antrag auf aufschiebende Wirkung zurückgezogen.
Dieser Schritt scheint nur auf den ersten Blick überraschend. Schließlich wissen die Bewag-Chefs, dass sie die politisch vorgegebene Liberalisierung des europäischen Strommarktes vor Gericht nicht verhindern, sondern höchstens verzögern können. Warum also Energie verschwenden und Schlachten schlagen, die nicht zu gewinnen sind? Für die Bewag geht es vielmehr darum, die Ausgangsposition im Wettbewerb weiter zu verbessern.
Zudem hat die Bewag die seit September gewonnene Zeit zur Festigung ihrer Marktposition genutzt. Sie hat ihren KundInnen angeboten zu entscheiden, auf welche Art ihr Strom hergestellt werden soll: ökologisch, umweltverträglich oder billig. Mehr als 90 Prozent haben – ob bewusst oder aus Bequemlichkeit, ist unerheblich – den Bewag-typischen Strom aus den umweltfreundlichen Anlagen mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) gewählt. Für die Bewag ein schöner Erfolg, auf dem sich aufbauen lässt.
Im kommenden Jahr stehen die Verhandlungen über die Versorgung der öffentlichen Gebäude der Stadt an. Da lässt sich mehr holen als vor Gericht. Richard Rother
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