: Fesselnde Fachzeitschrift für die mediale Nabelschau
Der DJV beendet heute sein 50-jähriges Jubiläum. Das Mitgliedermagazin „Journalist“ zieht Bilanz und erlaubt die Frage: Wie sieht denn ein Blatt von und für Journalisten aus?
Eine lange, geschwungene Reihe goldglänzender Sanduhren, nach hinten langsam sich verjüngend, schwebt im mystisch-himmelblauen Nichts. Aus der oberen Hälfte jeder Uhr rinnt ein Ziffernblatt, dessen Zeiger kurz vor zwölf stehen, wie magisch als Sandstrahl in den unteren Teil. Dieser surreale Schabernack ziert nicht etwa den Kleinen Dalifreund, sondern die Jubiläumsausgabe des journalist, des monatlichen Mitgliederblatts des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV).
Der Titel dieser Sonderausgabe zu „50 Jahren DJV“ lautet, in gelben, etwas verwaschenen Lettern, „Bilanz und Vision“. Vergangenheit und Zukunft quasi, gestern und heute, hü und hott, gehupft wie gesprungen. So sieht also eine Zeitung aus, die von Journalisten für Journalisten gemacht wird, jeden Monat prall gefüllt mit knallharten, investigativen Reportagen wie „Umdenken ist Pflicht – Neue Rechtschreibung in den Redaktionen“, nachdenklichen Bilanzen à la „Von West nach Ost – Zusammenarbeit zwischen Ossis und Wessis“ und unverzichtbaren Informationen der Landesverbände: „Presseausweis ungültig: Schriefer, Karl-Heinz, (verloren)“.
„Lust auf Karriere“ heißt ein anderer Beitrag – worüber wohl? Genau, über Frauen im Journalismus. Schon der einleitende Satz, „Das Interesse am ersten Frauenkongress des DJV Landesverbandes NRW am 6. November in Hagen übertraf selbst optimistische Erwartungen“, würde sicher Appetit auf mehr machen, wenn man da nicht schon eingeschlafen wäre.
„Die Stellenanzeigen lese ich manchmal“, so lautet das übereinstimmende Ergebnis einer nicht repräsentativen Umfrage im (schwer journalistischen!) Bekanntenkreis. Allerdings auch nur deshalb, „weil sie so lustig sind“. Tatsächlich eine „blühende Medienlandschaft“ an interessanten, vielversprechenden Angeboten: „Für unsere bundesweit erscheinende Monatspublikation GENAU – Zeitung für das holz- und kunststoffverarbeitende Handwerk in Deutschland suchen wir eine/n Fachredakteur/in mit dem Themenschwerpunkt Holz und Kunststoff“. Pech, wenn man sich da versehentlich auf Metall und Porzellan spezialisiert hat, vielleicht sogar Experte für den Themenschwerpunkt Heu und Stroh ist. Zum Glück sucht ja noch der SauerlandKurier für seine Redaktion im Kreis Olpe „eine/n Redakteur/in, der/die Spaß am Lokaljournalismus hat und auch etwas vom Fotografieren versteht“, vielleicht sogar vom Offsetdruck.
Unter dem Namen „Sage & Schreibe Werkstatt“ bietet die fesselnde Fachzeitschrift ein „monatliches Supplement“, das mit nützlichen Tipps, etwa zum Thema Überschriften, aufwartet: „Mit der ersten Zeile Leser fangen“, so der Titel der Titelstory. Ein Chefredakteur namens „Fasel“ erklärt hier Grundregeln: „Was können Journalisten tun, um ebenso gescheite wie witzige Zeilen zu schnitzen? Zuerst einmal müssen sie auf den Inhalt ihres Titels achten.“ Genau, und wenn es um „allzu kritisch berichtende Journalisten geht“, dann heißt die Überschrift natürlich „Heiße Eisen“. Setzen, sehr gut. Aber jetzt genug gepöbelt. Sie meinen’s ja nur gut, sie meinen’s so gut. „50 Jahre Deutscher Journalisten-Verband – das sind 50 Jahre zähen Ringens um soziale Gerechtigkeit, um zeitgemäße Lohn- und Arbeitspolitik, um Solidarität zwischen den jüngeren und älteren, den freien und angestellten Kollegen“, heißt es im Vorwort der Jubiläumsausgabe. Und aus reiner Solidarität heraus verzeihen wir auch all die langweiligen, aus anscheinend ausgetrockneten Federn fließenden Formulierungen, die viel zu vielen alten Herren und viel zu wenigen jungen Damen, und das rührende Festhalten an der erklärenden Bildunterschrift, die selbst Karikatur gewissenhaft als Karikaturen ausweist. Wir holen tief Luft und sagen dann doch noch: „Happy Birthday“. Das „Nur weiter so!“ kommt uns aber nicht so richtig über die Lippen. Jenni Zylka
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