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Generation Zero

■ Alt sehen sie aus, die 68er, die 78er und die 89er. Das neue Jahrtausend ist angebrochen, und mit ihm kommt eine neue Generation. Sie ist anders als alle anderen. Sie ist unfassbar. Ein Generationenausblick der taz plus fünf Prominente, die auf keinen Fall dazugehören werden

Der bekannte Soziologe Heinz B. wird die neue Generation des dritten Jahrtausends entdecken, und das wird nicht einfach sein. Denn nicht jedem sticht die kleine Gruppe ins Auge, die da im fahlen Winterlicht in Berlin-Friedrichshain am Geländer zur U-Bahnstation lehnt.

Die jungen Leute wurden, nach dem Zustand ihrer Haut zu urteilen, alle nach 1985 geboren. Sie haben schwarze Baumwolljacken an. Ein Mädchen hat sich ein rot gepunktetes Kopftuch ums Haupthaar geschlungen, zwei Jungen braune Strickmützen übergezogen. Ihre Schulmappen tragen keine Markenlabels. „Die neue Unsichtbarkeit“, schießt es B. durch den Kopf, „vor mir steht die ,Generation Zero‘!“ So etwas fällt einem nicht jeden Tag ein. Zumal man aus der „Generation Zero“ eine „Generation Z“ machen kann, die wiederum auf die „Generation X“ und die „Generation Y“ folgt. Passt also zusammen.

Die „Generation Zero“ geht offenbar nicht mehr ins Café. Sonst würden die hier nicht so herumstehen im schneidenden Januarwind und in der Weltmetropole den letzten Kontakt mit den Elementen suchen. Die Cafés halten andere, gestrige Generationen, besetzt. Da hockt die „Wir um 25 Generation“, surft mit ihren Laptops im Internet und diskutiert mit der 89er Generation über ihre tristen Bücher, die wiederum von der noch gestrigeren 78er Generation benörgelt werden, in Zeitungen, deren Kulturressorts wiederum von Angehörigen der 68er Generation geleitet werden. Wenigstens die haben noch ein bisschen was von der Rente zu erwarten. Die „Generation Zero“ hat mit all dem nichts am Hut, das erkennt B. sofort mit sensiblem Blick.

Diese junge Gruppe hier im Winterlicht interessiert sich nicht für die Selbsterfahrungstrips der 78er. Zum Beispiel Drogen: Das ist doch im dritten Jahrtausend nur noch etwas für die ganz Alten, die in wenigen Jahren Heroin auf Rezept bekommen werden gegen ihren Selbsthass und ihre Schwermut. Die „Generation Zero“ dagegen steht für sich selbst, hier an irgendeinem Geländer in Berlin. Ich kann nicht das geringste Selbstzitat entdecken, denkt Heinz B. begeistert und mustert die jungen Leute genauer. Irony is dead? Doch noch nicht mal mit dem Tod hat die Gruppe hier was im Sinn. „Sie sind wirklich einfach nur da!“ B. ist sakral berührt.

Schluss mit dem so genannten Diskurs über die virtuelle Internet-Gesellschaft, die Silikonbusen-Sucht, die Media-Hypes. Plastikbrüste sind nur was für Proll-Girlies aus der „Wir um 25 Generation“, die nicht wissen, dass frau die Dinger alle sechs Jahre erneuern lassen muss. Im Internet surfen längst die 68er, auf der Suche nach Online-Ausgaben von Zeitungen, die sie aus Geiz nicht mehr kaufen wollen. Die 89er schließlich mit ihrer „Kapitalismus ist klasse, aber bitte nur mit Ironie“-Attitüde haben sich längst in ihren Kleinunternehmen aufgerieben. Und überhaupt, was die Ironie betrifft: siehe oben.

B. fühlt Ehrfurcht. Echte Vertreter der „Generation Zero“, welch seltener Anblick! Allein schon demographisch. „Eine Generation der Unfassbaren“, sinniert B; da kommt auch schon die U-Bahn, die „Generation Zero“ entschwindet im Untergrund.

Barbara Dribbusch

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