: Einbürgerung: Der erwartete Ansturm blieb aus
Nach Ansicht von Barbara John wurden viele Anträge bereits im letzten Jahr gestellt
Er hat lange auf diesen Tag gewartet. Zehn Jahre lebt der 32-jährige Türke bereits in Deutschland. Die deutsche Staatsbürgerschaft steht ihm jedoch erst seit Beginn des Jahres zu. Gestern früh zählte er im Bürgerbüro Kreuzberg zu den ersten, die den roten Pass nach dem geänderten Staatsangehörigkeitsrecht beantragten. „Ich lebe hier und möchte auch hier bleiben“, lautet die einfache Begründung für seinen Antrag. Im vergangenen Jahr hatte der in Zypern geborene Türke schon einmal vergeblich versucht, den deutschen Pass zu bekommen. Doch erst jetzt erfüllt er auf Grund der Verkürzung der Einbürgerungszeit von 15 auf acht Jahre die Kriterien. Die Nachfrage nach dem deutschen Pass hielt sich in der Kreuzberger Einbürgerungsstelle am Montag in Grenzen. „Es ist ein ganz normaler Tag“, sagte Amtsleiter Gerhard Haider. Die Behörde hatte zwei neue Mitarbeiter engagiert, um einen eventuellen Ansturm abfangen zu können – ähnlich wie im Nachbarbezirk Neukölln. „Wir haben mit viel mehr Menschen gerechnet“, zeigte sich dort der Leiter der Bürgerdienste, Torsten Vogel, überrascht. „In den nächsten Wochen erwarten wir insgesamt erheblich mehr Anträge als im letzten Jahr.“
Dem widerspricht Kenan Kolat, Geschäftsführer des Türkischen Bundes: „Die Zahl der Einbürgerungsgesuche wird im Vergleich zum alten Recht sogar zurückgehen.“ Grund dafür sei die abschreckende Wirkung der neuen Auflagen.
Dem erforderlichen Sprachtest wollten sich vor allem Türken der älteren Generation nicht stellen, und auch der Nachweis über einen gesicherten Lebensunterhalt könnte wegen der hohen Arbeitslosigkeit von einem großen Teil der türkischen Bevölkerung nicht erbracht werden. Hinzu komme, dass es keine Chance mehr gebe, in die alte Staatsangehörigkeit zurückzuwechseln. „Die massiven Verschärfungen schaden der Integration von Ausländern sogar“, sagt Kolat.
Auch die Ausländerbeauftrage Barbara John rechnet nicht mit einem erheblichen Anstieg der Bewerber wegen des neuen Rechts. „Wer seinen Antrag auf Einbürgerung stellen wollte, hat ihn bereits gestellt.“ Zum Jahresende 1999 habe es in Berlin etwa 40 000 noch nicht beschiedene Anträge bei den Ämtern gegeben.
Wie Torsten Vogel vom Bezirksamt Neukölln betont, werden bereits rückwirkend seit dem 16. März 1999 die Anträge nach dem neuen Recht bearbeitet. Derzeit dauere es etwa ein bis zwei Jahre, bis über einen Antrag entschieden werde. Mit dem neuen Recht, so hofft Vogel, könnte die Bearbeitung schneller gehen. AP, dpa
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