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Der homosexuelle Mann ... ■ Von Elmar Kraushaar

... geht mit großer Zuversicht ins nächste Jahrtausend. Die letzten Jahre, selbst die letzten Wochen, haben ihm bewiesen, der Fortschritt – den man sich vorstellen muss als eine Maschine, die sich unerbittlich weiter bewegt – ist auf seiner Seite. Da passieren Dinge, die noch unvorstellbar waren vor zehn oder zwanzig Jahren.

Wie die freundlichen Reden der Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin. Erneut hat sie ein „Ende der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Sexualität“ versprochen.

Als ersten Schritt auf dem Weg hin zu dem juristischen Gebilde, das auf keinen Fall Homo-„Ehe“ heißen darf, kündigt sie eine vom Parlament ausgesprochene „Erklärung des Bedauerns“ über das Unrecht an, das Homosexuelle während der NS-Zeit erlitten haben. Eine schöne Geste! Die kostet nichts, lenkt medienwirksam ab vom Versagen bei den selbst gesteckten Zielen in der sogenannten Gleichstellungspolitik und düpiert nicht einmal die Opposition – auch die werden sich 55 Jahre nach Kriegsende den goldenen Worten nicht verschließen.

Bei ihrem neuerlichen Vorstoß hat Däubler-Gmelin von den Pop-Stars gelernt. Anlässlich der Veröffentlichung ihres Comeback-Albums hat Donna Summer letztens auch all ihre beleidigenden Äußerungen gegenüber Homosexuellen zurückgenommen, und Adam Horovitz von den „Beastie Boys“ bat öffentlich um Vergebung für die schwulenfeindlichen Songs von einst: „Ich entschuldige mich bei der gesamten schwulen und lesbischen Gemeinschaft für die miesen und ignoranten Dinge, die wir auf unserer ersten Platte gesagt haben. Dafür gibt es zwar keine Entschuldigung, aber die Zeit hat unsere Dummheit geheilt.“

Ein Problem aber haben sie, die jetzt den Kotau zelebrieren: Ihnen fehlt der Ansprechpartner, die Repräsentanz jener, die sie meinen. Homosexuelle haben hierzulande keine Gestalt, kein Gesicht, keinen Namen. Oder wird der Bundestag bei seiner Entschuldigung an Rudolf Mooshammer, mit Hund, denken als legitimer Nachfahr der Nazi-Opfer? Oder an Alfred Biolek, den Meister des Parlando und König der Kochlöffel? Vielleicht sogar an Lilo Wanders, bei der nicht einmal mehr der Name stimmt, oder an Wolfgang Joop, der so wunderbar näselt, wie jedes Homo-Lehrbuch es vorschreibt?

Wie so oft haben es auch bei diesem Dilemma die US-Amerikaner besser. Die haben einen ideellen Gesamthomo, mit Namen und dem passenden „Dieser Onkel erzählt euch jetzt eine wunderschöne Gute Nacht Geschichte“-Gesicht. Brian Benson heißt der Mann, kommt aus San Francisco und hat seine homosexuelle Neigung nachgewiesen, hundertfach und vor einem Millionenpublikum. Dank CNN und ABC und NBC und CBS und dem Internet (www.theshowerproject.com) hat Benson internationale Berühmtheit erlangt, einzig weil er unter die Dusche gestiegen ist, mit 100 Frauen, nacheinander, und nie ist was passiert, keine Erektion, keine Kopulation, kein Garnix. Jetzt – so Benson – weiß jeder, dass an seiner Homosexualität kein Zweifel bestehen kann. Niemand werde ihm mehr vorwerfen, er gebe nur vor, schwul zu sein, um sich dann in gespielter Unschuld besser an Frauen ranzumachen. Sollen wir Deutschen nicht doch den Mooshammer vorschicken oder Biolek?

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