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Kunst oder Werbung ...?

■ Erst sollte das Mosaik in der Bahnhofshalle den neuen Plänen der Bahn AG weichen / Kultursenator Schulte setzte sich für den Erhalt der großen Werbetafel ein

Retten ist gut. Das hat was mit richtig Ritterlich zu tun. Das haben Bäcker Josef Bünger, Maler Klaus Straubinger und Kultursenator Bernt Schulte (CDU) jetzt besonders heldenhaft bewiesen. Denn bevor die Bahn mit der Spitzhacke ihre Groß-Bahnhof-Pläne umsetzen konnte, haben sie in letzter Minute ein „einzigartiges“ Bremer „Kunstwerk“ gerettet: ein großes Mosaik – genauer: eine geflieste Werbetafel.

Denn was seit August 1999 die Bahnpläne quer legt und heute als „Kunstwerk“ gefeiert wird, hat eine merkwürdige Geschichte: Zum einen ist das Mosaik nicht besonders alt (von 1957) und der Künstler nicht allzu berühmt (Alexandre Noskoff). Außerdem hat das Ding schon seit etlichen Jahren (Anfang der 70er !) niemand vermisst. Und vermutlich blieben die 20 Meter Fliesen länger hinter DASA-Werbetafeln verdeckt, als sie selbst öffentlich in der Bahnhofshalle zu sehen waren.

Damals zur feierlichen Einweihung des Mosaiks im Dezember 1957, war das Kunstwerk dem Weser-Kurier nur ein Foto mit ein paar Unterzeilen wert. Auch die Bremer Nachrichten berichteten nur mager über die „künstlerische Werbung“ von Martin Brinkmann, dem Inhaber der „größten Rauchtabakfabrik Europas“. Und in der Chronik der Stadt wird die großzügige Schenkung überhaupt nicht erwähnt. Denn der „Mäzen“ Martin Brinkmann hat das dreigliedrige Mosaik nicht ganz uneigennützig gestiftet. Jedenfalls nicht ohne Werbung für die eigene Fabrik zu machen: Auf dem Tabakfass, zentral im mittleren Bild zu sehen, prankte damals noch: „Brinkmann Tabak“. Dieser Spruch sei zwar „zurückhaltend“, aber „doch in dieser Bescheidenheit unübersehbar“, lobte damals Dr. Werner Kloos im „Tabakblatt“, der „Hauszeitschrift der Brinkmann GmbH Bremen“. Heute sind die Lettern nicht mehr zu sehen. Nur auf einem Tabakbündel erkennt man noch die Initialen von Martin Brinkmann.

Auch der Wert des lange verborgenen Fundus ist strittig. Der Kunstwert selbst sei „nicht so hoch“, vermutet der Leiter des Landesamtes für Denkmalschutz Peter Hahn vorsichtig: Die Motive selbst wurden wahrscheinlich von Brinkmann vorgegeben, glaubt Hahn. Vielmehr liege der Wert in der aufwendigen Keramikarbeit. Und das Mosaik sei auch als „Zeugnis, wie damals geworben wurde“ wertvoll.

Trotzdem machte Josef Bünger „Gott und die Welt verrückt“, um das Mosaik für die Nachwelt zu retten. Auf einer Begehung im Dezember hatte er die Kacheln entdeckt und war total beeindruckt: „Ich dachte, die Bahn macht richtig was in Kultur.“ Schließlich sind neben den Tabakszenen aus aller Welt auch Bremer Dom, Rathaus und Stadtmusikanten zu sehen. Ein Stück Lokalpartriotismus, das „einmalig in der Bremer Geschichte ist“, glaubt Bünger.

Die Bahn allerdings hatte andere Vorstellungen für die Bahnhofshalle. Und denen fügte sich auch das Landesamt für Denkmalschutz nach einer Besichtigung im Herbst. „Nach Aktenlage“, gibt Hahn zu, habe sich die Behörde damals den Wunsch der Bahn „gebeugt“. Nach einer zweiten Besichtigung hatte man zwar die „Qualität“ festgestellt, die Erhaltungskosten schienen aber unfinanzierbar.

Seitdem machen sich Bürger und Freund Straubinger stark für das Mosaik und durchkreuzen sämtliche Pläne des Bauherrn. Denn der wollte die Bahnhofshalle ursprünglich in den Originalzustand von 1898 zurückverwandeln. Die alten Rundfenster sollten geöffnet werden und den „historischen Durchblick“ auf die Bahnsteige wieder herstellen. Mitten drin prangt aber Brinkmanns alter Werbefeldzug.

Und da wird er wohl auch bleiben – seit Kultursenator Bernt Schulte ein ernstes Wörtchen mit der Bahn sprach. „Wir wollten etwas anderes, aber die Stadt hat interveniert“, bekundet Bahnsprecher Hans-Jürgen Frohns knapp. Auch wenn das Mosaik überhaupt nicht in den Rahmen passt, gibt es statt dem „historischen Durchblick“ zum Bahnsteig in Zukunft Tabakszenen auf knallbunten Kacheln. Zur Ästhetik zwischen Jahrhundertwende und Moderne schieben sich jetzt die 50er Jahre. pipe

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