: Entschädigung der Zwangsarbeiter auf die Schnelle
Die Bundesregierung hat es mit ihrem Gesetzentwurf zur Entschädigungsstiftung auffällig eilig. Die angekündigte Diskussion gerate zur Farce, klagen Opferanwälte
Berlin (taz) – Monatelang hatten die Verhandlungspartner um die Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter gerungen. Nun scheint es die Bundesregierung auf einmal eilig zu haben: Am kommenden Montag will sie den Opferverbänden einen neuen Gesetzesentwurf zur Entschädigungsstiftung vorlegen.
Doch die Anwälte der ehemaligen Zwangsarbeiter befürchten, dass ihre Kritik ungehört verhallt. „Die zweite Fassung zementiert nur den ersten Entwurf“, sagt der Münchener Anwalt Michael Witti zur taz. Die angekündigte Diskussion mit den Opfervertretern gerate dadurch zur Farce. Denn wie auch schon in dem Referentenpapier vom November sollen nach dem nun vorgelegten Gesetzentwurf aus dem Finanzministerium bereits erfolgte Leistungen auf die geplanten Entschädigungszahlungen angerechnet werden. „Bereits unmittelbar oder über Dritte erhaltene Wiedergutmachungsleistungen aus Mitteln der öffentlichen Hand einschließlich der Sozialversicherung werden angemessen berücksichtigt.“
Opferanwalt Witti kritisiert, dass die Zwangsarbeiter damit nur noch einen „symbolischen Betrag“ erhalten würden. Dies würde vor allem die ehemaligen KZ-Arbeiter sowie die Lagerhäftlinge treffen.
Wittis Kritik weist Wolf-Eckhart Meyhoeffer, Sprecher des deutschen Unterhändlers Lambsdorff, zurück: „Der neue Entwurf hat noch nicht einmal Kabinettsreife“, sagte Meyhoeffer zur taz.
Das könnte sich schnell ändern. Denn die Bundesregierung will das Verfahren anscheinend abkürzen. Normalerweise geht ein Gesetzentwurf erst ins Parlament, wenn das Kabinett zugestimmt hat. „In diesem Fall wird er wohl parallel von Fraktionen und Kabinett beraten“, so Meyhoeffer.
Das Finanzministerium hatte den Entwurf in den vergangenen Wochen den beteiligten Ressorts – Auswärtiges Amt, Wirtschafts- und Sozialministerium – zur Abstimmung vorgelegt. Die Neufassung, die vom 27. Dezember datiert, berücksichtigt nun einige der Kritikpunkte, die von den Opfervertretern vorgetragen worden waren: Die Hälfte der Summe, die einem ehemaligen Zwangsarbeiter zusteht, soll nun sofort ausgezahlt werden. In dem Ende November vorgelegten Papier waren es nur 30 Prozent gewesen. Nach dem neuen Entwurf sitzt nun auch ein Vertreter der Sinti und Roma in dem dann zwanzigköpfigen Kuratorium der Stiftung.
Doch an der umstrittenen Frage der Anrechnung von Entschädigungsleistungen will die Bundesregierung nicht mehr rütteln. „Es bleibt grundsätzlich dabei“, so Meyhoeffer. Unterhändler Lambsdorff hatte die Diskussion bereits für beendet erklärt. „Es entspricht einem Grundgefühl von Gerechtigkeit, dass man Leistungen, die bereits erbracht worden sind, bei neuen Leistungen berücksichtigt.“
Die Opfervertreter wollen das nicht hinnehmen. Eher würden die amerikanischen Anwälte die im Dezember getroffene Einigung kippen, droht Witti. „Wenn die Zwangsarbeiter die 15.000 Mark nicht bekommen, unterschreiben sie auch die Verzichtserklärung nicht.“ Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die NS-Opfer schriftlich auf weitere Ansprüche verzichten.Nicole Maschler
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