piwik no script img

Wider das undänische Liebesverhalten

In Dänemark lebende AusländerInnen sollen künftig keine EhepartnerInnen mehr nachholen können. Die Regierung reagiert auf rechte Ausländerfeindlichkeit und Sorgen in den Kommunen ■ Von Reinhard Wolff

Stockholm (taz) – Wer in Dänemark lebt, soll gefälligst einen Mann oder eine Frau lieben und heiraten, der oder die ebenfalls im Lande lebt. Ansonsten droht Bestrafung: Der Familiennachzug wird verweigert. Auf dieses Ergebnis läuft eine neue Verschärfung des Ausländergesetzes hinaus, an dem die dänische Regierung gerade feilt.

Wie mittelalterliche Feudalherren meint sich der Staat in Zukunft in ganz persönliche Entscheidungen seiner BürgerInnen einmischen zu können. Denn die haben sich, soweit ausländischer Abstammung, bislang „undänisch“ verhalten und zu 80 bis 90 Prozent ihre LebenspartnerInnen in der alten Heimat gesucht.

In seiner Neujahrsansprache räumte Dänemarks sozialdemokratischer Ministerpräsident Poul Nyrup Rasmussen der geplanten zwangsweisen Umsetzung „dänischer Werte“ breiten Raum ein. „Gruppen, die klar zu erkennen geben, dass sie sich um dänische Werte nicht kümmern“, seien in der ausländischen Bevölkerung zu finden: „Es ist nicht akzeptabel, wenn ein gut ausgebildetes türkisches Mädchen gezwungen wird, sich mit einem Mann in einem Dorf im hintersten Anatolien zu verheiraten.“

Was recht unschuldig als landsväterliches Donnerwetter gegen erzwungene Vermählungen daherkommt, ist in der Realität der Gesetzesnovelle, an die gerade letzte Hand gelegt wird, als umfassender Schlag gegen die als unbequem empfundene Einreisehintertür des Familiennachzugs geplant. Wer sich in Zukunft nicht auf dem einheimischen Heiratsmarkt umtut, kann nur im Ausnahmefall damit rechnen, mit dem oder der Geehelichten in absehbarer Zeit auch zusammenleben zu können.

Den geehelichten Lebenspartner darf nur dann noch nach Dänemark holen, wer zumindest vier bis fünf Jahre lang die dänische Staatsangehörigkeit besessen hat, über eine ausreichend große Wohnung verfügt und nachweisen kann, dass er seine Familie auch versorgen kann.

Gegen Verfassung und Menschenrechtskonvention verstoße das nicht, behauptet das Justizministerium: Nicht in die Heirat selbst mische man sich ja ein. Die Jungvermählten könnten gern im Ausland zusammenleben. In Dänemark müsse dies ja nicht sein, wenn man sich – „undänisch“ genug – seinen Partner eh schon im Ausland gesucht habe.

Derart Ausländer-Mobbing ist seit einiger Zeit bis in höchste Regierungskreise hoffähig geworden. Einige Medien und die rechtspopulistische „Dänische Volkspartei“ schüren systematisch Ausländerangst. Umstrittene Statistiken werden zitiert, wonach bald jeder siebte in Dänemark Lebende nichtdänischer Herkunft sein wird. Jetzt sind es nicht einmal fünf Prozent, deutlich weniger als in den Nachbarländern Deutschland und Schweden.

Die „Fremden“ haben, da vorwiegend auf ghettoähnliche Wohnbezirke konzentriert, in vielen Kommunen zu Problemen geführt: Die Sozialhilfekosten steigen, das Bildungswesen bekommt nicht genug Ressourcen für den hohen Anteil ausländischer Kinder, was bedeutet, dass immer mehr Jugendlichen der Arbeitsmarkt verschlossen bleibt.

Im Zangengriff zwischen der „Dänischen Volkspartei“, die sich laut letzter Meinungsumfragen mit 17 Prozent zur drittgrößten Partei hoch-ausländerfeindelte, und den eigenen KommunalpolitikerInnen ist die Regierung Rasmussen schnell weich geworden. Die Verschärfung der Nachzugsregelungen soll den Kommunen eine Atempause geben und ausländerkritische Stimmen in die eigene WählerInnenbasis zurücklocken.

Das ist gar nicht so leicht, versuchen sich doch die Parteien auf diesem Gebiet gerade regelrecht zu überbieten. So ließ Venstre-Parteichef Anders Fogh Rasmussen mit dem Vorschlag eines siebenjährigen Sozialhilfestopps für Neueinwanderer den Vorstoß des Ministerpräsidenten gleich als geradezu gemäßigt erscheinen.

Die EU ist gerade dabei, Einwanderungsrichtlinien zu formulieren, die den dänischen Intentionen radikal entgegengesetzt sind. Nach einem aktuellen Entwurf der Kommission sollen AusländerInnen bereits nach einem Jahr Aufenthalt das Recht bekommen, ihre Familie nachkommen zu lassen. Und dieses Recht soll außer auf Ehepartner und Kinder auch auf nahe Verwandte wie Nichten und Neffen Anwendung finden. Nach dänischem Recht ist solcher Familiennachzug schon jetzt erst nach drei Jahren möglich. Bereits jetzt gibt es nur ein EU-Land, das strengere Regelungen für den Familiennachzug aufstellt als Dänemark: Griechenland.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen