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„Das passt durchauszu einer linken Partei“

Klaus Müller, grüner Finanzpolitiker, über die rot-grüne Förderung der Aktiengesellschaften

taz: Unternehmen dürfen künftig Beteiligungen an anderen Firmen verkaufen und die Gewinne daraus steuerfrei kassieren. So steht es in der Steuerreform, die von den Grünen mitgetragen wird. Seit wann sind Sie eine Unternehmerpartei?

Klaus Müller: Sind wir gar nicht. Weil die Gewinne aus Unternehmensverkäufen steuerfrei bleiben, werden sich künftig mehr Unternehmen an jungen Kapitalgesellschaften beteiligen. Das wiederum fördert Existenzgründungen. Und damit entstehen neue Arbeitsplätze.

Zum Jahreswechsel gab es vor allem fröhliche Kurssprünge an den Aktienmärkten, als diese Neuerung so richtig durchgedrungen war. Selbst Banker waren überrascht über diese Steuerfreiheit. Damit verzichtet der Bund doch auf Milliarden an Steuereinnahmen.

Eine Rechnung über Steuerausfälle kann man gar nicht aufmachen. Denn bisher verkauften die Kapitalgesellschaften ihre Beteiligungen ja nicht, weil diese voll besteuert wurden.

Man hätte die Steuersätze auf Beteiligungsverkäufe doch erstmal nur senken können. Dann hätten viele Unternehmen ihre Beteiligungen verkauft, der Staat aber immer noch Milliarden verdient. Warum denn gleich eine völlige Befreiung?

Ich bin mir nicht sicher, ob es diese Milliarden überhaupt gegeben hätte, wenn wir die Steuersätze nur halbiert hätten. Das lässt sich alles nicht nachprüfen. Außerdem muss man berücksichtigen, dass der Gewinn aus einem Beteiligungsverkauf nur dann nicht besteuert wird, wenn das Geld innerhalb einer Kapitalgesellschaft verbleibt, also investiert oder in neue Beteiligungen umgewandelt wird. Es geht also nicht darum, Gewinne steuerfrei zu stellen, die dann Personen für ihre eigene Bereicherung einstreichen.

Trotzdem ist es ungewöhnlich, dass die Grünen so leichtfertig auf mögliche Milliardeneinnahmen von den Unternehmen verzichten. Die Aktienkurse sind daraufhin zunächst nach oben geklettert. Passt all das überhaupt noch zu ihrem Grundverständnis als linke Partei?

Durchaus passt das noch zu einem Grundverständnis als linke Partei. Diese Steuererleichterungen begünstigen doch Kapitalgesellschaften, also Unternehmen mit einem breiten Anlegerspektrum. Diese Vorteile kommen damit letztlich vielen Kleinaktionären zu Gute. Auch Menschen mit geringerem Einkommen kaufen ja Aktien. Und genau das wollen auch die Grünen fördern.

Heißt das: Jedem ein kleines Aktienpaket und alles wird gut im Spätkapitalismus?

Es geht nicht nur um den Aktienmarkt. Wenn Beteiligungen an Unternehmen erleichtert werden, dann fördert das Existenzgründungen und damit neue Jobs.

Bisher hat die Erfahrung gezeigt, dass der Aktienkurs eines Unternehmens vor allem dann ansteigt, wenn dort ein Teil des Personals herausgeschmissen und der Betrieb so verschlankt wird.

Wenn man die USA betrachtet, sieht es differenzierter aus. Dort wurden durch eine neue Kultur der Unternehmensbeteiligungen viele neue Jobs geschaffen.

In den USA müssen Steuern auf Kursgewinne gezahlt werden, bei uns werden sie nur innerhalb einer Spekulationsfrist fällig. Und Eichel will diese Steuern noch halbieren. Wie sehen Sie das?

Was diese Halbierung der Kursgewinnbesteuerung betrifft, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Da besteht noch Beratungsbedarf.Interview: Barbara Dribbusch

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