Hongkongs Mann in Panama

Was haben die Übergabe des Panamakanals und die Übernahmeschlacht um den Mannesmannkonzern gemeinsam? Der chinesische Milliardär Li Ka-shing macht mit beiden Geschäftsvorgängen satte Gewinne. Ein Porträt des Hongkonger Tycoons von Sven Hansen

Niemand in Hongkong bezweifelt, dass Li Ka-shing zählen und rechnen kann. Schließlich half das dem 71-Jährigen, der reichste Mann der früheren britischen Kolonie und heutigen chinesischen Sonderzone zu werden. Trotzdem hat der neue Büroturm von Lis Konzern Cheung Kong keinen vierten Stock. Und Li residiert in der obersten 70. Etage, obwohl das Gebäude an der Queen’s Road Central Ecke Garden Road nur 62 Etagen hat. Pfusch am Bau? Nein, „nur eine Auflage des Bauherrn“, versichert Ingenieur Rajkumar Singh, der an dem Glas-und-Stahl-Turm im Bankenviertel mitbaute.

Der abergläubische Li ließ den vierten Stock einfach weg. Denn in der chinesischen Mythologie ist die Vier eine Unglückszahl, weil die si ausgesprochene Ziffer gleichlautend mit dem Wort für Tod ist. Die 70 dagegen ist Lis persönliche Glückszahl. Die Architekten mussten deshalb mit Hilfe „blinder“ Etagen Lis Büro unbedingt in den 70. Stock bringen. Der medienscheue Tycoon hat schließlich schon oft Glück gehabt.

Eines, das sich in Zahlen fassen lässt. Forbes, das Zentralorgan der Milliardäre, schätzte Lis Nettovermögen 1998 auf 12,6 Milliarden US-Dollar. Damit liegt er weltweit auf Rang zehn unter den sogenannten working rich, also den Superreichen, die ihre Firmen selbst leiten. Der bescheiden auftretende Li, der mit seiner großen Brille aussieht wie ein Schuldirektor, ist nach Schätzung dieser Zeitschrift Asiens reichster Unternehmer.

Seinen Aberglauben mag man außerhalb Asiens belächeln, doch Lis glückliche Hand wurde erst jüngst wieder bei Mannesmann deutlich. Sein Mischkonzern Hutchison Whampoa, das Flaggschiff seiner Cheung Kong Holding, investierte seit 1994 1,1 Milliarden US-Dollar in ein Joint Venture zum Aufbau des britischen Mobilfunkbetreibers Orange. Hutchison ist Hongkongs größter Mobilfunkbetreiber. Und er ist auch international tätig. Im November zahlte Mannesmann für Hutchisons Orangeanteil einen Aufschlag von 22 Prozent, wobei der Preis von 14,6 Milliarden Dollar zu 8,9 Milliarden mit Aktien bezahlt wurde. Mit diesem Zehnprozentanteil an Mannesmann wurde Hutchison größter Aktionär des Düsseldorfer Konzerns.

Als Vodafone Airtouch sein Angebot für Mannesmann abgab, stieg der Wert des Mannesmannpapiers um 25 Prozent und Hutchisons Anteil auf zwölf Milliarden Dollar. Vodafone deutete laut New York Times an, bei einer Übernahme Mannesmanns deren Aktionären Orange zu übertragen, um das Ja der britischen Monopolbehörden zu bekommen. Damit würde Hutchison wieder einen Anteil am just teuer verkauften Orange erhalten. „Zuerst verkauften sie Orange mit großem Aufschlag“, so ein Manager aus dem Umfeld von Hutchison. „Jetzt bekommen sie einen zweiten Aufschlag mit dem Übernahmeangebot von Vodafone für Mannesmann. Zahlt Vodafone mit Orange, gäbe es einen dritten Aufschlag.“

Hutchison will jedoch seine Mannesmannaktien nicht verkaufen. „Das zeigt, dass Li Ka-shings Beteiligung an Mannesmann nicht spekulativ, sondern eine langfristige Investition ist“, meint Ekkehard Goetting von der deutschen Handelskammer in Hongkong. Goetting sieht Lis Stärke in dessen Diversifizierung und seiner strategischen Voraussicht. Doch Hutchison verpflichtete sich beim Aktientausch auch, seine Mannesmannpapiere für achtzehn Monate zu halten. Sollte Vodafone sein Angebot erhöhen, könnte Mannesmann gezwungen sein, Hutchison verkaufen zu lassen. So oder so zählt Li zu den Gewinnern.

„Li Ka-shing ist für uns ein Vorbild“, sagt Lak Cheong, ein 34-jähriger Hongkonger Brillenfabrikant und Nachwuchsmillionär. Li wird in Hongkong „Supermann“ oder „Mister Money“ genannt, seine Freunde nennen ihn „KS“. „Li Ka-shing konnte nicht wie andere auf dem Reichtum der Eltern aufbauen, sondern schuf ihn selbst“, sagt Lak Cheong. „Li war der erste Hongkongchinese, der mit Hutchison ein großes britisches Handelshaus übernahm. Er ist ein Pionier.“

Ein ökonomischer Pfadfinder, der durch die Übernahme von Hutchison 1979 zum Global Player avancierte. Sein Konzern hatte im vorigen Jahrhundert bei Kanton als Werft begonnen. Heute ist Hutchison einer der größten Konzerne Hongkongs und kontrolliert Firmen in 25 Ländern. Kerngeschäfte sind Containerhäfen, Immobilien, Mobilfunk und Einzelhandelsketten. Experten schätzen, dass der Konzern zehn bis zwanzig Prozent des weltweiten Hafenumschlags von Containern bewältigt. In Hongkong, dem größten Hafen der Welt, ist Hutchison größter Verlader. „Lis Stärke ist, dass er gute Manager für sich arbeiten lässt und diese halten kann“, sagt ein Fondsmanager. „Außerdem hat er sehr gute Beziehungen zur Regierung in Peking.“

Chinas Kommunisten wurden 1977 auf Li aufmerksam. Damals lud ihn Deng Xiaoping nach Peking ein. Neulich, zum 50. Jahrestag der Volksrepublik, wurde Li Ehrenbürger der Hauptstadt. Dazwischen verliehen ihm viele chinesische Städte Ehrentitel – weil er sich finanziell so überaus spendabel zeigte. Li wurde auch in eine (staatliche) Investmentgesellschaft berufen, um ausländische Investoren nach China zu holen.

Wie andere Konzernchefs war der Tycoon sogar an der Ausarbeitung der neuen Hongkonger Verfassung und der Auswahl des ersten chinesischen Regierungschef der Sonderzone beteiligt. Als die britische Kronkolonie am 1. Juli 1997 an China übergeben wurde, residierten Präsident Jiang Zemin und der damalige Premier Li Peng kostenlos im Harbour Plaza Hotel des Konzernchefs. Der hatte für Chinas neue Vertretung in Hongkong eigens ein Hochhaus bauen lassen.

Li erlebte jedoch auch Rückschläge, zum Beispiel bei Immobiliengeschäften in Kanada. 1995 erntete er den Argwohn anderer Unternehmer, als er im Herzen Pekings das 1,5 Milliarden US-Dollar teure Einkaufszentrum Oriental Plaza plante. An dem anvisierten Ort befand sich das weltgrößte McDonald’s-Restaurant, das einen zwanzigjährigen Pachtvertrag hatte. Mit Hilfe der Stadtverwaltung wurde McDonald’s vertrieben, was internationale Zweifel an der Rechtssicherheit für Investoren auslöste und den Verdacht der Korruption nährte. Schließlich verzögerte sich das Projekt, als Pekings Bürgermeister verhaftet und später wegen Korruption verurteilt wurde. Li konnte allerdings nichts nachgewiesen werden.

Kritik erntete der Tycoon auch damit, wie er mit der Entführung seines Sohnes 1996 umging, die Hongkongs Zeitungen erst 1998 aufdeckten. Demnach verhandelte Li direkt mit den Entführern und zahlte ihnen 220 Millionen Mark Lösegeld. Statt Hongkongs Polizei schaltete er die Regierung in Peking ein. Die mutmaßlichen Entführer wurden 1998 in China hingerichtet. In Hongkong hätten ihnen nur Gefängnisstrafen gedroht.

Li geht auch gegen Kritiker hart vor, wie Albert Chan erfahren musste. Er hatte 1998 mit hundert Wohnungskäufern, die sich von Lis Konzern benachteiligt fühlten, vor dessen Zentrale demonstriert. „Cheung Kong bestand auf pünktlicher Bezahlung von Wohnungen, die Monate verspätet fertig wurden und durch die Asienkrise stark an Wert verloren hatten“, so Chan.

Lis Holding verklagte Chan wegen Verleumdung und verlangte eine öffentliche Entschuldigung. Aus Angst will sich Chan nicht näher über den Milliardär äußern. „Bitte verstehen Sie, ich habe einen Prozess am Hals“, sagt er.

In der Asienkrise fühlten sich viele Bürger Hongkongs von ihrer Regierung verlassen. Diese griff dafür Unternehmern wie Li massiv unter die Arme. Nachdem der Aktien- und Immobilienmarkt über die Hälfte seines Wertes verloren hatte, entschloss sich die sonst das freie Spiel der Kräfte betonende Regierung im August 1998 zur Intervention. Für fünfzehn Milliarden Dollar aus Steuermitteln kaufte sie Aktien der 33 Titel des Hang-Seng-Index und damit auch von Lis Firmen.

Seine engen Kontake zu Peking machen Li zur Zielscheibe rechter Kreise in den USA. Sie sehen China als Reich des Bösen und haben es nicht verwunden, dass Panama den gleichnamigen Kanal übernahm und Hutchison jetzt zwei von dessen vier Häfen managt. Hutchisons US-Konkurrenten würden gern selbst das Geschäft machen. Die Verschwörungstheorien republikanischer Politiker gipfeln in dem Vorwurf, China könnte mit Hutchisons Hilfe am Kanal Atomraketen aufstellen und damit die USA bedrohen.

„Bei Lis guten Beziehungen zu Peking ist es nicht verwunderlich, dass es Befürchtungen wegen des Panamakanals gibt, auch wenn diese reine Spekulation sind“, meint Lee Cheuk-yan von Hongkongs unabhängiger Gewerkschaft CTU. Er wirft Li vor, gegen Gewerkschafter vorzugehen. „Kürzlich wurde der Führer der Betriebsgewerkschaft vom Hutchison International Terminal entlassen, der einzigen Gewerkschaft, die wir in Lis Imperium organisieren konnten. Es hieß, der Mann leiste schlechte Arbeit. Der wahre Grund ist seine Gewerkschaftstätigkeit.“

Li Ka-shing wurde übrigens 1928 geboren. Es ist wie das Jahr 2000 (nach dem chinesischen Neujahr Anfang Februar) in der chinesischen Astrologie ein Drachenjahr. Drachen sind geborene Führer, die etwas bewegen und mit Macht und Glück ausgestattet sind. Aus chinesischer Sicht ist Li ein perfekter Drache.

Sven Hansen, 38, ist taz-Asienpazifikredakteur und berichtete öfters aus Hongkong. Dabei konnte er zusehen, wie Lis Zentrale in den Himmel wuchs.