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Eine verkrüppelt spröde Paarung

■ Die Liebe ist ein seltsames Spiel – „Der Hahn ist tot“ nicht minder (20.15 Uhr, ZDF)

Vor dem Küchenfenster, eine lärmende Schnellstraße. Dahinter Rosi Hirte, Versicherungsangestellte. Eine klaglose Soldatin monotoner Geschäftigkeit. Für heute ist Feierabend. Sie spitzt die Lippen zum Begrüßungszwitschern vor dem Kanarienkäfig, lauscht über ihrem Früchtetee in den Abend, verrückt das Besteck bis es millimetergenau parallel zur Tischdeckenkante verläuft, schiebt eine Haarsträhne aus dem Gesicht zurück zu den anderen und studiert den Text auf der Margarine so ausgiebig, als sei es eine geheimnisvolle Botschaft aus einer anderen Welt, die nur etwas Aufmerksamkeit braucht, um ihren ganzen unverhofften Zauber zu entfalten. Nichts passiert. Rosi Hirte schmiert sich ein Butterbrot. Die Einsamkeit am Ende der Nahrungskette.

Rosi Hirte ist ein „spätes Mädchen“, irgendetwas zwischen 40 und 50, leicht grau meliert, eher stumpf als strahlend, aber nicht hässlich. Nur die hin und wieder nervös zuckenden Winkel ihres Sparkassenmundes brechen ihren unbedingten Willen zur Haltung und erzählen von den Anstrengungen, nicht komplett vom Leben enttäuscht zu sein. Tagsüber ist Rosi Hirte eine pflichtbewusste Sachbearbeiterin, die sich um die kaputte Heizung des Chefs ebenso kümmert wie um all die menschlichen Episoden, die auf ihrem Schreibtisch als Unfallhergang geprüft werden. Abends wehrt sie sich dafür immer resoluter gegen alle Zumutungen einer ignoranten Welt. Und nichts ist am Ende gefährlicher als kriminell enthemmtes Kleinbürgertum.

Ungemein pointiert und mit gutem Gespür für die Empfindlichkeiten einer Zukurzgekommenen verleiht Gisela Schneeberger in Hermine Huntgeburths „Der Hahn ist tot“ Rosi als Ritterin mit der traurigen Gestalt Leben.

In der wunderbar spröden Verfilmung des gleichnamigen Romans von der Bestsellerautorin Ingrid Noll („Die Häupter meiner Lieben“, „Die Apothekerin“) steht die Protagonistin wie ein Fettfleck im Fluss des Lebens. Alles weicht vor ihr zurück. Wo sie ist, kann bald kein anderer sein. Ein Geliebter schon gar nicht. Dabei ist Rosi sich ganz sicher. Sie ist endlich dran. Mit der ganz großen Liebe. Eine bis zum Tod, wenn’s sein muss. Große Gefühle brauchen schließlich große Gesten.

Und wie alles im Leben der Rosi Hirte macht sie auch ihre Herzensangelegenheit zu einer reinen Willensprüfung. Rainer Witold Engstern (angemessen fischig gespielt von August Zirner) heißt er. Und wenn der aus seinen Buch Populärphilophisches zum Thema Liebe liest, dann verzerrt sich das in Rosis Ohren zum verheißungsvollen Säuseln, das nur einer gewidmet ist: ihr, Rosi Hirte, der Sachbearbeiterin mit den unterschätzten Leidenschaften.

Doch bis sie den Ahnunglosen auf den Pfad der einzigen, der wahren Liebe bringen kann, müssen Köpfe rollen. Nur eine tote Freundin ist dann eine gute Freundin, vor allem wenn sie Rosis Kreuzzug in die Quere kommt. Die Gattin des Geliebten erledigt sich im Schusswechsel eines Ehestreits fast von selbst. Als die Totgeglaubte sich mit einem unverhofften Röcheln noch einmal interessant machen will, drückt Rosi ab. Der Weg scheint frei.

Doch der Amoklauf der Wildentschlossenen bringt ihr keine Treueschwüre ein. Und am Ende ihrer Blutspur steht eine Paarung, die genauso verkrüppelt ist, wie Rosis Liebe zum Unerreichbaren. Mit „Der Hahn ist tot“ liefert Regisseurin Hermine Hundtgeburth eine der skurillsten Liebesgeschichten im TV-Format. In einem Kosmos aus Geschöpfen, die der Gleichtakt des Alltags gehörig zerdellt hat, entwickelt die Regisseurin eine stoische Geschichte von großspurigen Hoffnungen und kleinmütigen Kompromissen.

Birgit Glombitza

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