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Die Toten Teufel aus der Ortenau

Sie galten immer als die Schwaben Badens und haben dennoch „alles falsch gemacht“: Der Handball-Traditionsclub TuS Schutterwald steht vor dem Bankrott ■ Von Frank Ketterer

Schutterwald (taz) – Am Samstag werden sie erst einmal durchatmen, ganz tief und zum ersten Mal seit ziemlich genau einem Monat. Endlich kann ihnen dann keiner mehr von der Leine gehen, und endlich haben sie ein bisschen Gewissheit nach all den Tagen im Ungewissen.

Am Samstag schließt der Deutsche Handball-Bund die Transferliste: Wer bis dahin nicht geflüchtet ist vom TuS Schutterwald, kann es bis Sommer auch nicht mehr tun. Wenigstens das steht dann unumstößlich fest: wer die traurigste Saison in der 99-jährigen Vereinsgeschichte für die „Roten Teufel aus der Ortenau“ zu Ende spielt.

Längst Klarheit besteht allerdings auch darüber, dass es sich dabei nie und nimmer um eine konkurrenzfähige Mannschaft handeln wird. Denn die, die was auf sich halten, haben den Klub aus dem Badischen längst schon verlassen: Martin Reuter, den Mannschaftskapitän, zog es in die Nachbarschaft zum Ligakonkurrenten TV Willstätt, Torhüter Andreas Bulei zu Frisch-Auf Göppingen in Liga 2, den polnischen Nationalspieler Szymon Szszucki zum Schweizer Nationalligisten Schaffhausen und Philippe Schaaf schließlich zum Schweizer Championsligisten TV Suhr. Das sind so ziemlich die wichtigsten Leistungsträger des TuS gewesen. Der Nächste könnte bis Samstag Angreifer Frank Berblinger sein.

In den verbleibenden 16 Rundenspielen der angeblich stärksten Handball-Liga der Welt wird Schutterwald folglich kaum mehr über die Opferrolle hinaus kommen. Nur herzlich wenig Trost kann spenden, dass die Schutterwälder auch in Bestbesetzung in dieser Saison nur einen einzigen Punkt in 18 Spielen zusammenbrachten und sich also gar nicht so viel ändern wird beim Blick auf die Tabelle.

Der Exodus der Besten beim TuS Schutterwald kommt nicht zufällig. Vielmehr ist er gesteuert und gewollt von den Verantwortlichen an der Vereinsspitze. Ein Loch im Etat in Höhe von rund 600.000 Mark hatten diese Mitte Dezember entdeckt, weil bereits eingeplante Sponsoren ebenso ausblieben wie rund 1.000 Zuschauer pro Heimspiel. Um dieses Minus auszugleichen, fiel den Herren nur eine Lösung ein: Die Spieler wurden vor die Wahl gestellt, ab sofort eine 50-prozentige Reduzierung ihres Gehalts hinzunehmen – oder den Verein zu verlassen. „Wir mussten Mittel wählen, die richtig weh tun“, sagt Frank Heuberger, Vorsitzender des TuS und Geschäftsführer der vor der Saison erst gegründeten Spielbetriebs- & Marketing GmbH & Co KG.

Nun ist es keineswegs so, dass der TuS Schutterwald, im Gegensatz zu so manchem Konkurrenten, in der bankrottreichsten Handball-Liga der Welt zuletzt durch sonderliche Verschwendungssucht auffällig geworden wäre. Ganz im Gegenteil: Die Badener galten stets als die Schwaben der Liga, auch der aktuelle Etat ist mit 1,6 Millionen Mark der mit Abstand niedrigste aller Bundesligisten.

Dass er dennoch nicht gedeckt werden kann, macht die Sache umso schmerzlicher. Zumal die Notlage beim Turn- und Sportverein aus Schutterwald durchaus als eine Art letzter Beweis dafür gelten darf, wie sehr und endgültig die große Zeit der Dorfvereine im deutschen Handball vorüber ist, auch wenn das manch einer bedauern mag.

Die dauerhaft erfolgreichen Bundesligaklubs sind auch im Handball längst zu international operierenden Wirtschaftsunternehmen mit Millionenetats geworden. Hemdsärmelig vom Stammtisch der Dorfkneipe aus lässt sich keiner dieser Vereine mehr führen. Ohne professionelle Strukturen geht nichts.

In Schutterwald haben sie genau diese bis heute nicht hingekriegt: Nach wie vor wird der TuS im Ehrenamt geleitet, selbst Geschäftsführer Frank Heuberger ist davon nicht ausgenommen. „Im Grunde haben wir alles falsch gemacht“, sagt er, womit er vor allem die unprofessionelle und sich als ruinös erweisende Fehleinschätzung zu Beginn der Runde meint, die den TuS im Mittelfeld der Liga platziert wähnte und auf die sich all die weiteren Fehlkalkulationen aufbauten, die aus den Roten immer noch die Toten Teufel aus der Ortenau werden lassen könnten.

Denn überstanden ist die Krise beim TuS keineswegs. Zusätzlich zu der Gehaltseinsparung durch die Spielerabgänge wollen die Verantwortlichen mit einer Art Spendenaktion, wie sie einst den VfL Gummersbach rettete, knapp eine halbe Million Mark zusammenkratzen – und zwar bis 15. Februar. „Bekommen wir diese Summe bis dahin nicht zusammen, hat es wenig Sinn, weiter zu spielen“, sagt Hans Junker, ehrenamtliches Beiratsmitglied. Was nichts anderes als den sofortigen Rückzug der Bundesligamannschaft und somit das endgültige Aus für den Traditionsclub TuS Schutterwald bedeuten würde.

Kein Wunder also, dass sie diesem 15. Februar nun entgegenfiebern. Erst danach besteht wirklich Grund, ganz tief durchzuatmen.

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