Eine Befindlichkeitsallegorie über Deutschland

■ So pupsegal wie Nina Petri in Gummihosen („Das gestohlene Leben“, 20.15 Uhr, ZDF)

Wenn alte Männer im deutschen Fernsehen ganz lange übers Meer schauen, sich auf dem Himmel hinter ihrem arthritischen Rücken der Farbfilter hochzieht, um der Dämmerung die branchenübliche Farbigkeit zu verpassen, wenn alles schon vor der Titeleinblendung und ihrer wuchtigen Semantik die Kopf einzieht, verheißt das nichts Gutes. In diesem Fall: „Das gestohlene Leben“.

Die ZDF-Produktion unter der Regie von Christian Görlitz gehört mit ihrem beharrlichen Geringe um psychologischen Mehrwert zweifellos in die Knäckebrot-Abteilung des Senders. Zu all den Mainzelmännchen mit den grauen Schläfen, für die so viel Formbemühen schnell an Konzeptkunst grenzt und die alles intelligent und anspruchsvoll nennen, was Monotonie hartnäckig mit Bedeutsamkeit verwechselt. Hier wird jedenfalls mit viel Aussagewillen geschwiegen, über die Wellen geschaut, an Lavendel geschnuppert oder an den Haaren gezauselt.

Dabei hat der Film eigentlich eine Geschichte zu erzählen, aus der sich mit etwas Schnörkelwillen auch ein Fünfteiler hätte stricken lassen. Eine Befindlichkeitsallegorie über Deutschland – getrennt und zugenäht –, die wieder einmal Biologismen und den biblischen Bruderstreit bemüht, um doch nur zu erzählen, dass die beiden sich gegenseitig weder Hab, Hof noch Hausfrau gönnen.

Anton heißt der eine. Doch der ist schon so gut wie tot, als er das erste Mal ins Bild kommt. So findet ihn sein Bruder Wilhelm (Rolf Illig) und ist darüber nicht gerade betrübt. Hat Antons Parasitentum ihm nicht jahrelange Zwangsarbeit eingebracht sowie Frau und Kind ausgespannt? Konnte Wilhelm seinem Widersacher noch verzeihen, dass er seine Jugend im russischen Frondienst verbringen musste, fordert der Rest der Wahrheit zur ungebremsten Rache. Antons Ermordung spült der Familie einen Kommissar, Bruno Stein (Christian Redl), ins Haus. Er ist allein wie Julia, Wilhelms Tochterersatz und obendrein Fischerin.

Eine Berufung, die Nina Petri in rüstigen Gummihosen zeigt und in stark beschmutzten Tanktops. Fischerinnen holen schließlich auch gleich ein bisschen Erinnerungs- und Todes-Mythologie ins schnöde Geschehen, das sich ganz aufs Nacherzählen verlegt, anstatt den spannenderen, aber bereits vergangenen Teil auszuspielen. Auch privat fischt Julia via Kontaktanzeige nach etwas, das bleiben könnte. Bruno Stein schreibt ihr, und wie das Presseheft enthusiastisch formuliert: „Es kommt zum Rendezvous und beiderseitiger Zuneigung.“

In der gleichen Betriebstemperatur köchelt der Erinnerungssud stur vor sich hin. Und ob die Beteiligten am Ende nun die Liebe, die Schuld oder das Melodrama verpasster Möglichkeit entdecken, ist pupsegal. Außer Atem kommen dabei eh nur ein paar Fische.

Birgit Glombitza