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„Die Eine-Pizza-mehr-Novelle“

■ Für Kerry Sailer vom studentischen Dachverband FZS ist Schröders Bafög-Machtwort der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringen könnte

taz: Bundeskanzler Gerhard Schröder hat am Freitag die Bafög-Reform von Bildungsministerin Edelgard Bulmahn gekippt. Haben Sie das erwartet?

Kerry Sailer: Nein, im Gegenteil. Bulmahn hatte ihre Reform so lange angekündigt, dass ich erwartet habe: Jetzt kommt ein Vorschlag auf den Tisch.

Schröder hat gegen die Sockelfinanzierung durch das Kindergeld argumentiert, die Eltern hätten das Geld bereits für den Hausbau verplant. Fühlen sich die Studierenden noch ernst genommen?

Ich fühle mich nicht mehr ernst genommen. Schröders Argument zeigt, dass Chancengleichheit bei der Bildung für ihn keine Priorität hat.

1997 gab es eine große Streikwelle wegen der miserablen Studiensituation. Werden die Studis wieder auf die Straße gehen?

So ein Aufbruch lässt sich nicht planen. Bei der 97er Bewegung brachten die vollen Seminare und die leeren Bibliotheken den Stein ins Rollen. Das war konkret und für alle sichtbar. Daraus hat sich dann der Protest gegen die Studiengebühren und das Hochschulrahmengesetz entwickelt. Ich hoffe, dass jetzt auch etwas passiert.

Warum haben die Studis nicht schon im Vorfeld für Verbesserungen beim Bafög demonstriert?

Es schien so klar, dass das kommt. Ich habe gar nicht die Veranlassung gesehen, die Studis zu mobilisieren und auf die Straße zu bringen. Wir haben erst mal auf den Vorschlag von Bulmahn gewartet. Der sollte dann diskutiert werden.

Hätten die Studis die Bildungsministerin nicht bei ihrer Reform unterstützen sollen?

Das wird jetzt von vielen Seiten gefordert. Ich halte es für falsch, dass die Politik immer nur dann etwas macht, wenn zehntausende demonstrieren. Die Bafög-Reform ist Aufgabe der Politik. Die SPD muss jetzt die Chancengleichheit verwirklichen, von der sie seit Jahren spricht.

Was bedeutet die Absage der Bafög-Reform für die studentischen Protestbewegung?

Es könnte der Tropfen sein, der das Fass mal wieder zum Überlaufen bringt. Das ist zu hoffen.

Was wird jetzt von politischer Seite kommen?

Das alte Spiel wird fortgesetzt. Die Beträge werden ein bisschen angehoben. Ansonsten wird es denselben Verbalradikalismus geben, den wir auch die letzten Jahre hatten: „Ja, es geht wieder aufwärts mit dem Bafög.“ Enden wird es in der berühmten Eine-Pizza-mehr-Novelle.

Interview: Isabelle Siemes

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