: Grünkohlkönigin Schreyer
EU-Kommissarin übernahm die Würde von Otto Schily und fühlte sich wohl
Nach bangen Minuten war der Verschluss des Ordens endlich zu, doch Michaele Schreyer war immer noch nicht zufrieden. „Falschrum“, klärte die EU-Haushaltskommissarin Jürgen Poeschel auf. Der Oldenburger Oberbürgermeister begann seine Prozedur seufzend aufs Neue. Und als der Schweineorden endlich angemessen um den Hals der neuen Grünkohlkönigin hing, lachte er schwitzend in die zahlreichen Kameras. Dann rief er aus: „Es lebe unsere Königin.“
Michaele Schreyer fühlte sich mit dem neuen Orden, einer Art Kettenhemd aus kleinen Medaillen mit den Namen der vorigen Majestäten und einem handgroßen Schwein, sichtlich wohl. „Es ist eine große Ehre, als grüne EU-Kommissarin Grünkohlkönigin zu werden“, sagte die ehemalige Chefin der bündnisgrünen Abgeordnetenhausfraktion gestern beim 43. Grünkohlessen im festlichen Prinzessinnensaal des Opernpalais. 240 Vertreter aus Oldenburg, Hannover, Bonn und Berlin wohnten ihrer Krönung bei und schlemmten Grünkohl, Pinkel, Kochwurst, Kasseler, Speck und Kartoffeln. Die Grünen-Politikerin habe den traditionsreichen Titel ohne zu Zögern angenommen: „Ich werde doch keinen Parteibeschluss über Trennung von Amt und Krone abwarten.“
Ganz „ohne Eigennutz“ sei Schreyer nicht zur neuen Grünkohlkönigin gekürt worden. „Wir hoffen auf Großzügigkeit und Verständnis, wenn wir in Brüssel vorsprechen“, erklärte Landwirtschaftsminister Karl- Heinz Funke (SPD).
Schreyer übernahm die Würde von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD). In einem Rechenschaftsbericht klärte er über die Grünkohl-Verordnung auf. „Er muss ganz frisch sein – das kann man von Kohl nicht immer behaupten“, sagte er und spielte auf den früheren Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) an. „Kohl muss außerdem frei von Unsauberkeiten sein – das ist sehr aktuell.“
Oldenburg vergibt seit 1956 den traditionsreichen Titel an einen prominenten Politiker. Vor zwei Jahren wurde die neue Kohlmajestät zum ersten Mal in Berlin beim „Defftig Ollnborger Gröönkohl- Äten“ gekürt. dpa
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