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Ökolandbau soll aus der Nische raus

Zehn Prozent Anbaufläche wären leicht zu erreichen, meinen viele. Der Anbau boomt, vor allem im Osten Deutschlands – jedoch drücken die Importe. Neue Argumente für die Werbung ■ Aus Berlin Maike Rademaker

So einfach wäre es: Anderthalb Kilo Brot, anderthalb Liter Milch, ein Pfund Kartoffeln, vier Eier, 25 Gramm Wurst und 50 Gramm Fleisch. Wenn alle Bundesbürger sich im Monat nur einen solchen Einkaufskorb mit Waren aus Öko-Landbau leisten würden, ginge es letzterem blendend. Diese Menge, so die Agrarsoziale Gesellschaft, würde ausreichen, um die ökologisch bewirtschaftete Anbaufläche in Deutschland von mageren zwei auf zehn Prozent schießen zu lassen. Die zehn Prozent bis 2005 zu erreichen ist das Ziel des Naturschutzbund Deutschland (Nabu), der mit der Einkaufskorb-Aktion auf der Grünen Woche in Berlin jetzt Werbung macht.

Die notwendige Ausweitung begründen Ökos allerdings nicht mehr nur damit, alles, was aus Bio-Betrieben stamme, schmecke auch besser und sei gesünder. Gerade die hochgezogenen Erwartungen an die gesundheitlichen Wirkungen bergen laut der Centralen Marketing Gesellschaft (CMA) die Gefahr, dass sich Verbraucher nach einer Testphase enttäuscht abwenden.

Die Öko-Bauern argumentieren jetzt eher mit der Wirkung, die der Verbraucher mit seiner Entscheidung auf die Landschaft hat: Selbst wenn die Qualitätsunterschiede im Geschmack nicht zu bemerken wären, sei der Öko-Einkauf wichtig, weil mit diesem die Qualität des Produktionsstandorts bestimmt würde. Wer bei seinem nächsten Frühlingsspaziergang demnach sicherer sein will, dass der nächste Stall nicht 17.000 Schweine enthält, sondern eine artgerechte Anzahl der Tiere, soll also Bio kaufen.

Nicht, dass der Öko-Anbau in Deutschland richtig kränkeln würde. Er wächst. Seit 1994 hat sich die Fläche glatt verdoppelt: Mehr als 400.000 Hektar waren es 1999 laut Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau (Agöl), ökologisch bewirtschaftet von rund 7.000 Betrieben – das sind ein Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Betriebe auf zwei Prozent der Fläche. Vor allem im Osten der Republik gibt es durch die Neustrukturierung nach der Wende große Erfolge, in Mecklenburg-Vorpommern sind es acht Prozent der Landesfläche, dabei viele große LPG-Nachfolger.

Manon Haccius, Geschäftsführerin der Agöl in Darmstadt, ist deswegen auch durchaus zufrieden: „Die Bundesrepublik hat den weltweit größten und interessantesten Biomarkt, der vom Ausland immer wieder bewundert wird“, sagt sie. Allerdings befinde sich der Ökolandbau in einer schwierigen Phase: Heraus aus der Nische zu kommen stelle die Bauern vor große organisatorische Probleme. Weil die Höfe so weit auseinander liegen, ist es zum Beispiel schwierig, die Ökolandmilch zu vermarkten. Welche Molkerei kann es sich schon leisten, für die kleinen Mengen einen Tankwagen auf lange und teure Touren zu schicken? Auch Erzeugergemeinschaften zu bilden und Synergien zu nutzen ist angesichts der dünnen Verteilung der Höfe schwierig.

Ingo Braune, Leiter des Ökolandbau-Referats im Bundesministerium für Landwirtschaft, kennt noch mehr Gründe für den nur zögerlichen Aufstieg. Der erste Grund, altbekannt, sind die höheren Preise der Bioprodukte, die den Verbraucher immer noch zögern lassen. Manchmal hundert Prozent mehr als für herkömmlich produzierte Lebensmittel zahlenKäufer aber nicht nur wegen der Mehrarbeit beim Öko-Anbau: Schuld an den hohen Preisen, so die Zeitschrift Ökologie & Landbau, sind auch die zersplitterten Strukturen bei den Erzeugern und Verarbeitern, wie sie nun mal besonders in Deutschland und Italien vorliegen. Das so notwendige Mehr an Logistik und Einsatz kostet Zeit – und Geld.

Ein weiterer Grund war bislang die fehlende einheitliche Kennzeichnung. Da die Agöl nun gemeinsam mit der CMA das ökologische Prüfzeichen eingeführt hat, könnte diese Kaufbarriere wegfallen – gesetzt den Fall, die betreffenden Unternehmen beantragen das freiwillige Zeichen auch und akzeptieren es neben dem eigenen.

Nicht zuletzt ist die angebotene Produktpalette zu klein, nicht alles, was der Käufer sich wünscht, gibt es aus Öko-Produktion. Und die Produkte stehen weiterhin in zu wenigen Regalen: Zwar haben viele Supermarktketten eigene Öko-Regale, aber weiterhin wird dort nur nur ein Viertel aller Öko-Ware darüber vertrieben. Und welcher Käufer ist schon bereit, nach dem Großeinkauf für einen Quark in den Bioladen zu fahren.

Wenn er ihn dann dort kauft, ist er im Zweifelsfall nicht aus Deuschland – der Druck der Importe wächst. Besonders die Nachbarländer haben den lukrativen deutschen Markt entdeckt: Der niederländische Bio-Anbau boomt, größter Abnehmer ist Deutschland. „Wir können gar nicht so viel Öko-Ware liefern, wie nachgefragt wird“, sagte der holländische Landwirtschaftsminister Laurens Jan Brinkhorst.

Bei Umfragen sagen zwar immer wieder bis zu drei Viertel der Befragten, dass sie Öko kaufen würden, aber sie tun es nicht. Dabei haben immerhin 59 Prozent bei einer Umfrage gesagt, dass sie Angst haben vor Gesundheitsgefährdungen durch Ernährung. Das ist deutlich mehr als bei Straßenverkehr und Lärm. Grund für die Angst ist laut CMA wohl die Erkenntnis, dass der Einzelne kaum mehr weiß, was da woher auf dem Tisch kommt, und daher das Gefühl hat, keinen Einfluss mehr zu haben. Die Desinformation des Verbrauchers über die Landwirtschaftsrealität ist nicht nur Öko-Bauern ein Dorn im Auge, auch der klassische Bauer wünscht sich laut Bauernpräsident Gerd Sonnleitner mehr Aufklärung. Die Grüne Woche, so die Ökos, hilft da aber auch nicht weiter.

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