Unterm Strich:
So spannend geht es an der Oper ja selten zu. Doch seit die Operette „Die Csárdásfürstin“ von Emmerich Kálmán wenige Tage vor Silvester in Dresden ihre Premiere feierte, fliegen dort die Fetzen. Die ungewöhnliche Inszenierung des Regisseurs Peter Konwitschny hat für heftige Kontroversen gesorgt. Konwitschny hatte einige Passagen des 1915 entstandenen Werkes in die Schützengräben des Ersten Weltkriegs verlegt. Teile des Publikums hatten deswegen bei der Premiere Ende Dezember mit heftigen Buhrufen und Protesten reagiert (siehe taz vom 17. 1.). Bei der Aufführung am Silvesterabend nahm die Opernleitung – gegen Konwitschnys erklärten Willen – daraufhin drei Szenen heraus, darunter den Tanz der Hauptdarstellerin mit einer kopflosen Leiche. Die Semperoper spielt die „Csárdásfürstin“ seitdem in der geänderten Form. Dagegen setzt sich Konwitschny zur Wehr – sein Anwalt Tim Burkert stellte der Semperoper ein Ultimatum, die Änderungen in der Inszenierung bis Dienstag, 24.00 Uhr zurück zu nehmen. Die Frist ist jedoch ohne neues Resultat verstrichen. Nun wird der Streit um die „Csárdásfürstin“ wohl die Justiz beschäftigen. Der Anwalt Konwitschnys hat angekündigt, noch in dieser Woche vor dem Dresdner Landgericht eine einstweilige Verfügung zu beantragen. Damit könnte ein Gericht der Semperoper verbieten, die geänderte Fassung weiter zu spielen.
Der Streit schlägt vor allem in der örtlichen Lokalpresse seine Wellen. In einem Interview mit den Dresdner Neuesten Nachrichten hatte Albrecht die von ihm vorgenommenen Kürzungen erneut verteidigt. „Soweit es mich betrifft, bleibt es dabei, weil sich herausgestellt hat, dass damit die Aufführung offenbar rezipiert wird“, sagte er in einem Interview, das am Dienstag veröffentlicht wurde. Einen Tag später, am gestrigen Mittwoch also, erklärte nun der Anwalt der Sächsischen Staatsoper, Peter Krüger, in der gleichen Zeitung, die Semperoper bleibe bei ihren Kürzungen. Die von Konwitschny und dessen Anwalt geforderte Erklärung zur Rücknahme der Änderungen werde man nicht abgeben.
Für Peter Konwitschny hat der Konflikt auch eine politisch-psychologische Komponente. Der Sächsischen Zeitung sagte der Regisseur, er fühle sich durch die Eingriffe an die Zensur in der DDR erinnert. „Wenn der Intendant meine Interpretation amputiert und behauptet, dies geschehe im Sinne der Aufführung, degradiert er mich zum Unmündigen.“ Damit sei „die alte Wunde wieder aufgeplatzt“ – zu DDR-Zeiten hätten Intendanten mehrfach in seine Arbeit eingegriffen und damit seine Inszenierungen verhindert oder gegen seinen Willen verändert. Sollte sich der Prinzipienstreit zu einer Debatte um das Fortleben autoritärer DDR-Traditionen entwickeln – das könnte erst recht spannend werden.
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