: Von Bildung und Bildender Kunst
■ Der soziale Auftrag ist noch immer der gleiche: Die Volkshochschule Hamburg feiert heute und morgen ihren 80. Geburtstag mit dem größten VHS-Fest aller Zeiten
Ihr Anfang war das Ende einer Revolution und die Erkenntnis, dass Demokratie Bildung braucht: Die Hamburger Volkshochschule (VHS) feiert an diesem Wochenende ihren 80. Geburtstag. In der dritten Sitzung der neugewählten Hamburger Bürgerschaft am 28. März 1919 waren sich die Abgeordneten einig über die Gründung von Universität und Volkshochschule: „Gewiss ist die Volkshochschule in dieser grundsätzlichen Umstellung nur ein Teilstück, aber eines von weittragender Bedeutung. Denn mit ihr wird grundsätzlich anerkannt, dass im Volksstaat jeder Volksgenosse Gelegenheit haben muss, sich die Bildung und die Einsicht zu erwerben, die ihn zur verantwortlichen Mitarbeit im Ganzen befähigen und berechtigen“, schrieb das Hamburger Echo 1929 zu zehn Jahren Hamburger Volkshochschule.
Bildung sollte es nicht nur für Akademiker, sondern für alle geben, deshalb wurden Universität und VHS gleichzeitig gegründet, und deshalb unterrichteten Professoren auch an der Volkshochschule. „An dem sozialen Auftrag hat sich bis heute nichts geändert“, sagt Ingo Gallert, stellvertretender Leiter des Stadtbereichs Ost der VHS, der seinen 20. Geburtstag feiert. Das Angebot hingegen ist heute ein völlig anderes. „Es fing mit den ganz klassischen Angeboten an. Politische Bildung und auch Geschichte hatten einen hohen Stellenwert“, sagt Gallert. Das Thema politische Bildung haben heute weitgehend die Medien und andere Einrichtungen übernommen. „Da müssen wir jetzt richtig kämpfen.“
Doch dafür gibt es neue Schwerpunkte: „Besonders gut laufen Fremdsprachen und die gesamten EDV-Angebote.“ Denn während Volkshochschulleiter Rudolf Roß 1929 jegliche berufliche Bildung durch die VHS ablehnte, steht genau die heute im Vordergrund. „Englisch ist noch immer die wichtigste Fremdsprache für uns, aber Spanisch hat Französisch in den vergangenen Jahren den zweiten Rang abgelaufen“, sagt Gallert. Und bei der Datenverarbeitung „läuft alles vom Basiskurs bis zum graphischen Gestalten“.
Weil die VHS 1989 in einen Landesbetrieb umgewandelt wurde, muss sie jetzt einen möglichst großen Teil ihrer Kosten selber erwirtschaften. „Da muss man aufpassen, dass man irgendwann nicht nur noch die Kurse anbietet, die lukrativ sind“, sagt Gallert. Einträglich seien außer EDV und Fremdsprachen auch die künstlerisch-kreativen Angebote. „Malen ist eigentlich immer voll.“ Weniger lukrativ seien Kurse, in denen Deutsch als Fremdsprache gelehrt würden. Aber auch sie wird es weiter geben, denn der Senat bezuschusst die VHS.
Seit Jahren liegt die Zahl der TeilnehmerInnen an VHS-Kursen in Hamburg einigermaßen konstant bei 80.000. „Wir haben Teilnehmer aller Altersgruppen“, denn dass Volkshochschulen nur Erwachsene bilden, ist vorbei. Kinder können beispielsweise in die Kindermalschule, Jugendliche in die Theatergruppe gehen.
Neuester Trend bei der VHS ist das „Telenet-Lernen“. Dabei lernt man abwechselnd vor dem Bildschirm und im Klassenraum. „Wir wollen nach wie vor die Menschen zusammen bringen und keine Vereinzelung fördern“, sagt Gallert. Zwar bemühe sich die VHS, Computertechnik nutzbar zu machen und dabei auf dem aktuellen Stand zu sein, „aber wir wollen nicht alle Moden mitmachen und sind dagegen, sich ständig von den Medien berieseln zu lassen“.
Heute und morgen lädt die Volkshochschule zum „größten VHS-Fest aller Zeiten“ im VHS-Haus im Berner Heerweg 183 in Farmsen. Heute präsentieren sich ab 11 Uhr die unterschiedlichsten Kurse und machen Mitmach-Angebote von Filzen bis Beckenbodengymnastik. Eine Disco soll bis 4 Uhr am Sonntag dauern. Dann geht es um 11.15 Uhr mit einem Jazzfrühschoppen und einer Podiumsdiskussion zum Thema „Was heißt hier modern?“ weiter.
Sandra Wilsorf
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen