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Mit Nachdruck hierbleiben

Benefiz für Flüchtlingskinder: Antonín Dick inszeniert die „Ballade vom Emigranten“

Solidaritätskultur hat häufig den Beigeschmack von Agitprop und Politkitsch. Nicht so bei dem Theaterregisseur Antonìn Dick. Im Oktober 1991 gründete er das Jakob van Hoddis Theater, eine jüdische Theaterinitiative in Berlin.

Benannt ist sie nach einem deutsch-jüdischen Schriftsteller, der von den Nazis als „Asphaltliterat“ geschmäht und 1942 in einem Vernichtungslager ermordet wurde. In den seitdem auf verschiedenen Bühnen aufgeführten Stücken des Jakob van Hoddis Theaters, in „Ich, Susanne Salomon“, „Ich komme hier wieder heraus!“ und der „Ballade vom Emigranten“, geht es um die deutsche Vergangenheit aus der Perspektive der Opfer. Dabei gibt es auch Bezüge zur Gegenwart. „Als die Jüdische Gemeinde in Erfurt von Neonazis mit einem Schweinskopf geschändet wurde, haben wir diesen Anschlag sofort in provokativer Form in die Inszenierung eingearbeitet“, erinnert sich Dick, der sein Engagement nicht auf die Bühne beschränkt. Auf seine Initiative hin wurde am 8. 11. 1994 eine Gedenktafel für Jacob van Hoddis am Eingang der Hackeschen Höfe eingeweiht, um an den Anfang des Jahrhunderts in dem Gebäude tagenden Neuen Club zu erinnern.

Die Beschäftigung mit Verfolgung und Vertreibung hat bei Dick einen biografischen Hintergrund. Seine jüdischen Eltern mussten während der Nazizeit nach Großbritannien fliehen, wo Dick während des Krieges geboren wurde. Nach Kriegesende ging die Familie Dick in die DDR. Hier geriet der junge Antonín mit seiner künstlerischen Arbeit schon früh in Konflikt mit den DDR-Oberen und hatte unter Berufsverbot und anderen Repressalien zu leiden.

„Mein Status als Emigrantenkind bewahrte mich vor Schlimmeren“, glaubt Dick, der 1987 die „Arbeitsgruppe Staatsbürgerschaftsrecht der DDR“ mit begründete. Als das Künstlerhaus „Die Möwe“ 1992 das Theaterstück „Ich, Susanne Salamon“ nach der Uraufführung absetzte, organsierte er zusammen mit anderen KünstlerInnen eine Protestdemo vor dem Kulturhaus. Selbst die israelische Botschaft äußerte damals ihr Befremden über die Entscheidung.

Auch mit seinen jüngsten Projekt dokumentiert Dick sein gesellschaftspolitisches Engagement. Im Herbst kommentierte der Sprecher der Berliner Sozialverwaltung den Hungerstreik von Flüchtlingen für das Recht auf die Zubereitung eigener Mahlzeiten mit dem Satz: „Wir wollen den Menschen mit Nachdruck klarmachen, dass sie ausreisen sollen.“ Als Dick diesen Satz gelesen hatte, sammelte er spontan Solidaritätsunterschriften für die Flüchtlinge und schickte sie an den Senat. Ein Senatsmitarbeiter entschuldigte sich später für die Äußerungen seines Kollegen. Doch für Dick war damit die Angelegenheit nicht erledigt. Am Sonntag organisiert er mit der Inszenierung der „Ballade vom Emigranten“ einen Benefiz-Abend für die Kinder der in Pankow lebenden Flüchtlingsfamilien, die im Herbst protestiert hatten. Der Termin ist mit Bedacht gewählt. In Israel bepflanzen am 22. Januar jüdische Kinder zum so genannten Neujahrsfest der Bäume die Wüste. Peter Nowak

Der Benefiz-Theaterabend für die Flüchtlingskinder findet am Sonntag um 20 Uhr im Theater Mosaik in der Oranienstraße 34 in Kreuzberg statt.

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