: Beuys' Erben gegen die Beamten
Die Kunstschule der „Free International University“ in Ottensen kämpft vor dem Europäischen Gerichtshof um ihren Namen ■ Von Sandra Wilsdorf
Wolfgang Genoux fühlt sich von der Hamburger Wissenschaftsbehörde in seinen Grund- und Menschenrechten verletzt. Er wirft ihr vor, ihn mit einem Kunst- und Berufsverbot belegt und sein Lebenswerk zerstört zu haben. Deshalb hat er Klage vor dem Europäischen Gerichtshof erhoben. Die Behörde hat dem Bildhauer und ehemaligen Meisterschüler von Joseph Beuys 1995 verboten, seine „Freie Kunstschule Hamburg e.V.“ in Ottensen mit dem Zusatz „eine Arbeitsstätte der Free International University (FIU)“ zu versehen, obwohl sie den langen Namen 1982 genehmigt hatte.
Dagegen klagte Genoux vor dem Hamburger und dem Bundesverwaltungsgericht - und verlor. Das Bundesverfassungsgericht lehnte seine Beschwerde ab. Deshalb nun der Weg nach Straßburg. „Joseph Beuys hat den Begriff der Free International University auf der Documenta V initiiert“, sagt Genoux. Dahinter stehe keine feste Institution, sondern die Idee, dass sich ein aus dem erweiterten Kunstbegriff herleitendes, lebendes Kunstwerk bildet, das sich im Laufe der Zeit unter Mitwirkung vieler Menschen entfaltet. Die Kunstschule als Kunstwerk.
Die zur Zeit etwa 60 Studierenden und ihre neun Lehrer in Ottensen arbeiten interdisziplinär, ihre Lehrpläne gestalten sie selbst, die Auswahl der Studierenden erfolgt nicht nach Mappen, sondern nach „Arbeitsgesprächen“. Die Professoren leben in einer „Wirtschaftsgemeinschaft“, wer Kinder hat, bekommt beispielsweise einen Zuschlag, „und die Ausbildung dient nicht in erster Linie der Vorbereitung auf das Berufsleben, sondern soll die Fähigkeit zur Selbstbestimmung heranbilden“, erklärt Genoux. Die Idee der FIU stelle ganz bewusst das staatliche Bildungsmonopol in Frage.
Deshalb sei es paradox, dass die Schule ihren Namen nicht behalten darf, weil sie nicht nach staatlichen Regeln funktioniert. „Der Name University ist irreführend. Der Titel einer Hochschule muss genehmigt werden. Und das wird er nur, wenn die entsprechenden Voraussetzungen wie beispielsweise eine Gremienstruktur, Selbstverwaltung und ordentlich berufene Professoren gegeben sind", sagt Sigrun Nickel, Sprecherin der Behörde für Wissenschaft und Forschung. Von der Klage vor dem Europäischen Gerichtshof sei ihr bisher nichts bekannt.
Genoux regt besonders auf, „dass bei all' den Urteilen niemals ein Kunstsachverständiger zu Rate gezogen worden ist. Der hätte doch bestätigt, dass es sich um einen Kunstbegriff handelt, der auf keinen Fall den Eindruck erwecken will, dass es sich um eine staatliche Universität handelt.“ Er sieht durch das Vorgehen der Behörde, die die Schule nie besucht habe, die Freiheit von Kunst und Wissenschaft bedroht, denn wie hat Beuys gesagt: „Jeder Mensch will in selbstbestimmter Arbeit seine Fähigkeiten entwickeln und ist darin ein Künstler.
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