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Revolte, Putsch und nichts dahinter

■ Ecuadors ungeliebter Präsident Jamil Mahuad ist gestürzt, sein Vizepräsident Gustavo Noboa hat die Macht übernommen und verkündet, alles werde weitergehen wie bisher

Berlin (taz) – Das war ein ganz kurzer Sommer der Indígenas: Sechs Stunden lang regierte in Ecuador am Samstag eine selbst ernannte „Regierungsjunta der nationalen Rettung“, bestehend aus drei Männern: dem General Carlos Mendoza, dem ehemaligen Vorsitzenden des Obersten Gerichtes, Richter Carlos Solórzano – und Antonio Vargas, dem Vorsitzenden der größten Indígena-Organisation Conaie. Die Conaie hatte seit Wochen schon die Proteste gegen die Regierung des Präsidenten Jamil Mahuad organisiert. Am Freitag schließlich hatten die Indígenas, unterstützt von einer Gruppe Offiziere niederen Ranges, die Gebäude des Parlamentes und des Obersten Gerichtshofes besetzt und die Regierung für entmachtet erklärt. Zunächst bildeten sie ein „Parlament des Volkes“ und eine „Regierung des Volkes“, später wurde daraus nach Verhandlungen mit den Militärs jenes dreiköpfige Triumvirat.

Aber dieser Spuk, vom bisherigen Präsidenten Mahuad, der nationalen Presse, der Organisation Amerikanischer Staaten und den USA sofort als Staatsstreich gebrandmarkt, den man nicht akzeptieren werde, war schnell wieder vorbei. Nach Gesprächen mit Vertretern der US-Botschaft verließ General Mendoza die Junta – nicht ohne sich von Indianerführer Vargas „Verrat“ vorwerfen lassen zu müssen. Er habe, sagte Mendoza, nur an der Junta mitgearbeitet, um ein Blutbad zu verhindern.

Wenig später erklärte der Generalstab diese Regierung für aufgelöst. Mendoza hat inzwischen auch seinen Austritt aus dem Generalstab bekannt gegeben.

Nachdem der offiziell amtierende Präsident sich allerdings unter dem Druck der Militärs – und unter dem Argument, eine gewaltsame Explosion der Lage verhindern zu wollen – und der USA gebeugt und seinen Rücktritt eingereicht hatte, war der Weg frei für die einzige Lösung, die verfassungsmäßig gedeckt war: Vizepräsident Gustavo Noboa wurde am Samstag unter Anwesenheit des Generalstabes feierlich als neuer Präsident vereidigt. Das Parlament, aus seinen Sitzungsräumen noch immer ausgesperrt, tagte in der Zentralbank, bestätigte Noboa – und die Krise war gelöst.

Noboa seinerseits, ein 61-jähriger Jurist und ehemaliger Hochschullehrer, hatte nichts Besseres zu tun, als bereits in seiner ersten Ansprache zu erklären, er werde an den Grundzügen der Politik seines Vorgängers festhalten. Insbesondere die umstrittene Dollarisierung, mit der Mahuad vor zwei Wochen erklärt hatte, den Verfall der ecuadorianischen Währung aufhalten zu wollen, werde er weiterhin umsetzen, erklärte Noboa. Der abgesetzte Präsident Mahuad ergab sich in sein Schicksal – und forderte die EcuadorianerInnen auf: „Bitte geben Sie Gustavo Noboa die Unterstützung, die Sie mir nicht gegeben haben.“

Die Indígenas, die angesichts der schweren Wirtschaftskrise für den Regierungswechsel gekämpft hatten, denken gar nicht daran. Conaie-Vorsitzender Antonio Vargas erklärte am Samstag, die Conaie erkenne die neue Regierung nicht an und werde nicht mit Gustavo Noboa zusammenarbeiten. „Wir werden von unseren Gemeinden aus wachsam bleiben“, erklärte Vargas. Offenbar konsterniert darüber, wie die Ereignisse über sie hinwegrollten, räumten die Indígenas schließlich auch friedlich die von ihnen besetzen Gebäude.

Unterdessen ist gegen jene Offiziere, die mit den Indígenas zusammen das Parlament besetzten, Haftbefehl wegen versuchten Staatsstreiches erlassen worden. Der Anführer der Gruppe, Hauptmann Lucio Gutiérrez, wurde nach Angaben seiner Frau bereits am Samstag verhaftet.

Für den morgigen Dienstag ist die nächste Parlamentssitzung einberufen worden. Die Tagesordnung liest sich, als sei in Ecuador überhaupt nichts geschehen: Es geht um Wahlkampffinanzierung und soziale Sicherheit.

Bernd Pickert

Kommentar Seite 10

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